Der Zollpackhof der Anhalter Bahn
Zweiter Teil
Wiederaufbau5
In den 1950er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wird das erhalten gebliebene Erdgeschoß des westlichen Flügels durch ein provisorisches Notdach gesichert, da hier der Porzellanhersteller Rosenthal Lagerräume einrichtete.
Die Mauerwerksreste des 1. Obergeschosses bleiben jedoch ungeschützt. Um den weiteren Verfall des Gebäudes aufzuhalten, beantragt die Verwaltung des ehem. Reichsbahnvermögens (VdeR) den Wiederaufbau. Die VdeR war in West-Berlin für die Verwaltung von Grundstücken des Reichsbahnvermögens zuständig, die nicht dem Bahnbetrieb dienten.
Nach den Entwürfen des Bundesbaurats Wedler werden diese Arbeiten in der Zeit vom 29.10.1964 bis zum 31. Dezember 1965 durchgeführt. Fünf Jahre später werden diese Arbeiten fast wieder zunichte gemacht: am 5. Februar 1970 bricht in der Halle IV (Mittelteil) ein größerer Brand aus, dessen Schäden jedoch bis zum 5. August 1970 durch den Bundesbaurat Dipl. Ing. Behrend behoben werden können. 1972 entschließt man sich, dass Dach des Westflügels einschließlich der Binder komplett zu erneuern.
Wandlung6
Am 10. Juli 1998 erhält das „Exil– Wohnmagazin“ die Erlaubnis zur Umnutzung des Kopfbaus an der Möckernstraße durch das Bundesbahn - Vermögensamt am Halleschen Ufer. Denn im Zuge der Bahnreform war 1994 die zuvor gleichfalls im Komplex am Halleschen Ufer ansässige VdeR in das Bundesbahn - Vermögensamt eingegliedert worden.
Die Arbeiten für das "Wohnmagazin" werden durch die Architekten Kampmann, Klinkenberg und Zobel für die Fa. „Exil“ durchgeführt. Für die Statik ist der Dipl. Ing. Manfred Drach verantwortlich, die Ausführung der Nottreppe erfolgt durch den Kirchbauhof.
Kurz vor dem Abbruch zog die "moove wohnen GmbH" noch in das Gebäude, das inzwischen das "Exil-Wohnmagazin" verlassen hatte. Doch trotz aller Umbauten und der Beliebtheit des Hauses im Möbelhandel: das Ende des Gebäudekomplexes lässt sich nicht mehr aufhalten...
Abbruch7
Der Zollpackhof wurde während seiner Betriebszeit - sowohl in originärer Funktion als auch später als Möbelkaufhaus - leider nur selten fotografiert. Erst, als der Abbruch des geschichtsträchtigen Bauwerks längst beschlossen war und sich erste Proteste regten, gewann er an Popularität.
Ich bin der Architektin Cornelia Grosch daher dankbar für die freundliche Überlassung der nachfolgenden Aufnahmen des Zollpackhofs, insbesondere der nicht so ohne Weitere einsehbaren Rückseite des Gebäudes.
Abriss8
Nach der Fertigstellung der Bebauung am Potsdamer Platz ist die Vivico Real Estate GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, bestrebt, ihre zuvor als Baulogistik - Zentrum genutzten Areale am Gleisdreieck zu veräußern. Auch die südlich an das Baulogistik - Zentrum anschließende Fläche, welche zum ehem. Gütergelände der Anhalter Bahn gehörte, steht damit zur Disposition. Die hier noch in Richtung des Baulogistik - Zentrums verlaufenden Gleise und zugehörigen Geländeflächen werden nun nicht mehr benötigt. Dies trifft auch auf die überwucherten Gleisanlagen des alten Zollpackhofs zu, dessen an der Yorck- und Möckernstraße gelegenes Gebäude im wesentlichen nur noch durch das Möbelkaufhaus "Exil" genutzt werden. Zur besseren Vermarktung erhält das gesamte Areal durch die Vivico Real Estate GmbH den Namen "Möckernkiez".
Mit dem Bekanntwerden der Verkaufspläne bildet sich eine Initiative aus engagierten Kreuzberger Bürgern, die verhindern möchte, dass "große und anonyme Investoren" die Flächen rund um den Zollpackhof erwerben. Diese Initiative wandelt sich im Laufe eines längeren Diskussionsprozesses in eine Genossenschaft mit über 1000 Mitgliedern, welche - nun auch unterstützt durch die Politik - die Flächen sozialverträglich entwickeln möchte. Im März 2010 wird der Kaufvertrag für das Grundstück unterzeichnet, im August der städtebauliche Rahmenvertrag mit dem Bezirk, welcher am 1. September das Grundstücksareal der Genossenschaft übergibt.
Zeitgleich mit den Verhandlungen um die Bebauung des Möckernkiezes beginnt eine lange Diskussion um den Erhalt des Zollpackhofs. Recht bald tauchen erste Zweifel an der Standsicherheit des Gebäudes auf. Zudem wird bemängelt, das der Zollpackhof auf Grund der Aufstockungen der Nachkriegszeit nur noch in seinem unteren Teil als historisch anzusehen ist.
Diese Aufstockungs- und Umbauarbeiten waren es auch, die zu einer hohen Belastung des Gebäudes mit Schadstoffen geführt hatten. Asbest und kontaminiertes Erdreich mussten entsorgt werden. Schließlich wird der Alte Zollpackhof im April 2013 abgebrochen. Eines der letzten baulichen Relikte der Anhalter Bahn - prägend für den Bereich der unter Denkmalschutz stehenden Yorckbrücken - hörte damit auf zu existieren.