Die Abendschau
Ein Besuch im Sendezentrum
Topanker
Vorgeschichte1
Text: Lutz Röhrig. Bild: Lutz Röhrig und rbb
Seit Jahrzehnten gehört sie mit dazu: Die Abendschau, die sich bis 1993 noch "Berliner Abendschau" nannte. Beinahe täglich sah ich diese abends bei uns Zuhause. Moderatorinnen und Moderatoren wie Harald Karas, Hans – Werner Kock oder Evelyn Lazar gehörten daher fast schon "zur Familie" - so wie einst Nero Brandenburg, Hans Rosenthal oder Friedrich Luft für den damaligen Radiosender RIAS.
Die Zeit hat uns und unsere Stadt verändert - und auch die Abendschau hat sich gewandelt. Das Format wurde im Lauf der Jahrzehnte immer wieder einmal modernisiert, vieles ist anders als einst in meiner Jugend. Musikuntermalte Sendebeiträge oder Straßenfahrten für jene jenseits der Mauer, welche den westlichen Teil der Stadt nicht mehr besuchen durften, sucht man heute - zum Glück - vergebens.
Es ist irgendwie seltsam. Bei so vielen Erinnerungen müsste der Gedanke, einmal vor Ort das Werden einer Sendung wie der Abendschau ganz unmittelbar in Augenschein zu nehmen, längst gekommen sein. Doch erst eine zufällige Nachricht des RBB zum Jahresbeginn 2020 ließ mich kurzentschlossen zum Telefon greifen.
| Seit nun über 50 Jahren auf Sendung: Die (Berliner) Abendschau. Am 1. September 1958 erfolgte die Erstausstrahlung noch aus dem Deutschlandhaus am Theodor-Heuss-Platz. Vor der Kamera (mit gestreifter Krawatte) stehend: Moderator (in der Erstsendung noch Sprecher) der ersten Stunde, Harald Karas. Am Pult sitzend: Günther Piecho. Bild: rbb
Poelzig2
| Der große Sendesaal im Haus des Rundfunks. Die Probe war gerade vorbei, die Musiker gegangen.
Eine Dame empfing uns und erklärte zunächst auch den weiteren Besuchern die Struktur der ARD und allgemeines zur Geschichte des Senderverbundes. Dann ging es durchs Haus. Zunächst in den benachbarten Altbau des Sendezentrums, dem mir in architektonischer wie historischer Hinsicht wohlbekannten „Haus des Rundfunks“, welches 1929 durch den Architekten Hans Poelzig im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet worden war: beeindruckend, imposant und doch in jeder Weise zweckmäßig – bis heute.
Gezeigt wurden in dem vor knapp 100 Jahren errichteten Poelzig - Bau, der noch immer den Anforderungen eines modernen Rundfunkbetriebs bestens gerecht werden kann, moderne Radiostudios ebenso wie der große Sendesaal mit seiner auch in technischer Hinsicht eindrucksvollen hölzernen Verkleidung, welcher aus nur einer einzigen Ulme angefertigt worden war, um ein gleichmäßiges Altern gewährleisten zu können. Poelzig beeinflusste in Werk und Lehre die Architektur der 1920er Jahre. Angesichts der Bedeutung dieses Architekten ist es kaum vorstellbar, dass derzeit ausgerechnet das in Privatbesitz befindliche, von seiner Ehefrau Marlene (sie entwarf auch die Deckenleuchter im großen Lichthof des Haus des Rundfunks) entworfene Wohnhaus der Familie Poelzig im Berliner Westend abgebrochen werden soll.
| Blick in das Treppenhaus des "Haus des Rundfunks".
| Achtung, Sendung läuft!
| Der große Lichthof im "Haus des Rundfunks".
Das von Poelzig entworfene Funkhaus ist von seiner Konzeption her derart flexibel, das es auch heutigen Ansprüchen eines modernen Radiosendebetriebs vollkommen gerecht werden kann. Davon konnten wir uns direkt bei der Besichtigung der Radiostudios und des großen Sendesaals überzeugen.
Das gleichfalls wie das benachbarte „Haus des Rundfunks“ unter Denkmalschutz stehende Neue Fernsehzentrum am Theodor-Heuss-Platz, welches 1965 bis 1970 von Robert Tepez für den damaligen SFB errichtet worden war, offenbart hingegen den Gestaltungswillen der späten Sechziger Jahre. Die oft verkannte Stilrichtung des Brutalismus (franz. beton brut = Sichtbeton), welcher das Sendezentrum wie auch etwa das ICC oder der U – Bahnhof Schloßstraße angehören, genießt leider oft nicht die Wertschätzung, die sie angesichts ihrer Bedeutung haben sollte.
| Ein Radiostudio im "Haus des Rundfunks", das für technische Notfälle usw. als Reserve vorgehalten wird.
StudioEins3
| Kulisse der Satiresendung "Die Abendshow".
Höhepunkt der Führung war der Besuch des Studio 1 im Neuen Fernsehzentrum, das wir unmittelbar nach dem Ende der Abendschau besuchen durften – Gespräch mit Sendeleitung und dem Moderator Sascha Hingst sowie der Sprecherin Cathrin Bonhoff inklusive. Man erfuhr viel über die Vorbereitung einer Sendung, auch darüber, in welcher Form die Sprecher an den Texten der Sendung mitarbeiten und was es für eine psychische Anstrengung ist, die Sendung präzise und auf die Minute genau zu moderieren.
Es waren schon sehr intensive Eindrücke, die meine Partnerin und ich von unserem Besuch mitgenommen haben - und deren eigene Entdeckung ich nur jeden empfehlen kann, der einmal wissen möchte, was alles notwendig ist, um ein Nachrichtenmagazin wie das der Abendschau zu organisieren. Vielleicht geht es Ihnen dann auch so wie uns, dass sie nicht nur vor der Leistung der Moderatoren und Sprecher, sondern auch vor den zuarbeitenden Kollegen respektvoll den Hut ziehen... Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch beim rbb für die freundliche Veröffentlichungsgenehmigung.
| Sprecherin Cathrin Bonhoff. Bild: rbb.
| oben das bis Ende August 2018 gültige Logo der Abendschau, darunter das aktuelle Signet. Bild aktuelles Logo: rbb.
| Moderator Sascha Hingst. Bild: rbb.