Vom Aufzug für die Eisenbahn zum Lift im Holzhochhaus


Historie und Zukunft eines alten Garagengeländes

Karte Friedrichshain - Kreuzberg

Vom Aufzug
für die Eisenbahn...

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Inhalt und Kapitelübersicht
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Eisenbahn Metropole Berlin

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1 | Vorgeschichte. Berlins "Kramecken"

Hand aufs Herz: In Zeiten der Wohnungsknappheit und steigender Mietpreise sind Neubauten mehr als notwendig. Doch ein bisschen Wehmut darf aufkommen. Denn neue Bauprojekte sorgen zugleich auch dafür, dass viele der seit Jahrzehnten bestehenden „Kramecken“ in unseren Straßen, die wegen ihrer Unaufgeräumtheit noch einen kleinen Blick in die Vergangenheit ermöglichten, nun verschwinden.

 

So lässt etwa auch das alte Garagengelände an der Schöneberger Straße in Kreuzberg noch Einblick nehmen in eine Zeit, als vom benachbarten Anhalter Bahnhof noch quer über das heutige Garagenareal Güterwaggons mittels einer für die damalige Zeit technisch bemerkenswerte Aufzugsanlage zum benachbarten Schöneberger Hafen rangiert wurden.


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Ein Trost bleibt: So manches Neubauprojekt ist oftmals selbst ein bemerkenswertes Stück Architektur- und Ingenieurbaukunst – erst recht, wenn es sich dabei um Deutschlands größtes Holzhybridhochhaus handelt! Zudem wird seitens des Bauträgers auf eine feste Einbindung des Neubauprojektes in die sozialen Strukturen des Umfelds geachtet. Musiker, Kindergärten oder Einrichtungen für die Betreuung von Jugendlichen und Demenzerkrankten sollen hier ebenso ihren Platz erhalten wie Cafés und Ladengeschäfte.

 

Und auch bezuschussten Wohnraum für Geringverdiener wird es hier neben den das Projekt finanzierenden Eigentumswohnungen geben. Sind wir also gespannt auf das, was kommt...

Blick auf dem Mittelteil des Garagengeländes.

1| Eine von Berlins "Kramecken": Das alte Garagengelände an der Schöneberger Straße. Es wird demnächst Standort eines spektakulären Holzhybridhochhauses sein.  

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Blick auf den Mittelbau des Garagengeländes

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Lageplan des Garagengeländes an der Schöneberger Straße von 1987.

2| Das alte, hier farbig markierte Garagengelände an der Schöneberger Straße auf einer Karte von 1987. Links davon der heutige Mendelssohn-Bartholdy-Park, das ehem. Hafengelände, darunter der Landwehrkanal mit der Schöneberger Brücke. Die weiße Fläche rechts vom Garagengelände ist das ehem. Areal des Anhalter Bahnhofs. Oben der Askanische Platz.  

2 | Ein altes Garagengelände

Wer des Öfteren vom S- Bahnhof Anhalter Bahnhof zu Zielen jenseits des Landwehrkanals unterwegs ist, der kommt zwangsläufig bei seinem Gang durch die Schöneberger Straße an einem merkwürdigen, nicht recht zur Umgebung passenden Garagengelände vorbei, dass es irgendwie aus der Zeit gefallen scheint. Markiert wird das Gelände von einem seltsamen, ein Stück weit in den Gehweg hineinragend Gebäude, um das jeder Fußgänger in einem kleinen Bogen herumgehen muss. Die Schöneberger Straße wird. der Gedanke liegt nahe, einst eine andere Fluchtlinie besessen haben, an der sich dieses Gebäude orientierte. Schaut man am Gebäude empor, so sieht man hier und da noch kleine Rundbogenfenster – eindeutig ein Hinweis auf eine wesentlich ältere Nutzung, als es die derzeit hier ansässige Autowerkstatt vermuten lässt.

 

Auch das sich hinter dem Werkstattgebäude erstreckende Garagengelände mutet altertümlich an. Keine neuzeitlichen Stahltore, welche die einzelnen Garagen verschließen, sondern hölzerne Doppeltüren, die zwischen rohem Ziegelmauerwerk befestigt sind. 

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In der Mitte der beiden entlang der Grundstücksgrenzen v-förmig aufeinander zulaufenden Garagenreihen liegt eine kleine Gruppe weiterer Gebäude, die in einem seltsam schiefen Winkel auf die Garagenreihe hinter dem Werkstattgebäude zuläuft und dadurch das Hofgelände auf dieser Seite verengt. Zur Straße hin wird diese kleine Gebäudegruppe durch einen Anbau abgeschlossen, dem man seine Nutzung als Tankstelle noch ansieht. Doch längst hat die alte Tankstelle ihr schützendes, einst sich über die hier vorhandenen Zapfsäulen erstreckendes Vordach verloren. An Stelle der alten Zapfsäulen bietet nun ein Imbiss seine Mahlzeiten an.

 

Auf dem Gelände erblickt man vor allem am Abend so manchen privaten Auto-Schrauber, der hier seiner Tätigkeit nachgeht. Aber auch Firmen nutzen die alten Garagen, um auf dem Gelände ihre Hochzeitskutschen oder für Stadtrundfahrten genutzte Automobile abzustellen. Das Gelände zog daher meinen Blick beim Vorrübergehen geradezu magisch auf sich und ist so manches Mal von mir und meiner Kamera besucht worden. Denn zu offensichtlich schien es mir, dass angesichts der Wohnungsmangels in Berlin die Tage dieses unaufgeräumt wirkenden Idylls bald gezählt sein dürften. Und noch etwas inspirierte mich: Eine unbestimmte Vorahnung, dass dieser Ort in irgendeinem Bezug zum benachbarten Anhalter Bahnhof gestanden haben muss. Wieder einmal Zeit für eine Spurensuche… 

Gebäude von 1900 an der Schöneberger Straße.

3| Bereits von weitem ist das alte Garagengelände an dem ein Stück weit in den Gehweg ragenden Gebäude erkennbar, in dem sich aktuell noch eine Autowerkstatt befindet. Links geht der Weg durch ein kleines Parkgelände zum S-Bahnhof Anhalter Bahnhof bzw. zur Möckernstraße. 

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Garagenwerkstatt an der Schöneberger Straße.

4| Blick auf die Autowerkstatt. Rechts schließt sich im Hintergrund die Garagenreihe entlang des ehem. Verbindungsweges zum Anhalter Bahnhof an. 

Blick in die Tore der Autowerkstatt.

5| Blick in die offenen Werkstatttore.  

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Blick in den hinteren Teil des Garagengeländes.

6| Ganz links ist im Anschnitt noch das Gebäude der Autowerkstatt zu sehen, dann die folgende Garagenreihe. Rechts die schräg zur Garagenreihe stehenden Gebäude in der Mitte des Geländes. Das Fenster vorne rechts gehört zur ehem. Tankstelle an der Schöneberger Straße. 

Ein Paradies für Autoschrauber.

7| Blick in den hinteren linken Teil des Garagengeländes. Längst sind hier die Bäume zugunsten eines Neubaus verschwunden. 

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Blick vom hinteren Teil des Garagengeländes zur Schöneberger Straße.

8| Blick in die Gegenrichtung der obigen Aufnahmen zur Schöneberger Straße. Rechts hinten das Gebäude der Autowerkstatt. 

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Das zweite, aus der Zeit der Anhalter Bahn erhaltene Gebäude.

9| Herbststimmung. Der Blick geht hier ebenfalls zur Schöneberger Straße, aber über die rechte Garagenreihe auf der Seite des Abwasserpumpwerkes. Das hier weiß gestrichenen Gebäude stammt im Kern noch aus der Bauzeit um ca. 1900.  


Das Gebäude der ehem. Tankstelle an der Schöneberger Straße.

10| Das Gebäude der ehem. Tankstelle, welche längst ihre Zapfsäulen (an der Stelle der links zu sehenden Tische und Sonnenschirme) und das diese schützende Vordach verloren hat. 

Das hintere Ende des Tankstellenblocks

11| Das andere Ende des "Tankstellenblocks" (siehe Bild 10). Hier befindet sich eine Autowerkstatt mit Hubbühne. 

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Plan des Anhalter Bahnhofs von 1871

12| Plan des ersten Anhalter Bahnhofs um 1871 kurz vor dem Umbau bzw. Abbruch der Anlagen. Unten an der Schöneberger Straße sind die beiden dunkel schraffierten Gebäude (rote Rahmung) des Kohlenplatzes zu sehen, die im Kern die Lage der heutigen Gebäude vorgeben. 

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3 | Der zweite Anhalter Bahnhof

Der 1839 – 1841 errichtete erste Bahnhof der Anhalter Bahn, dessen umfangreiche Gleis- und Werkstattanlagen sich zwischen der Möckern- und Schöneberger Straße erstreckten, genügte schon bald kaum mehr den Anforderungen des stetig wachsenden Bahnverkehrs. Hinzu kam, dass sich dessen Gleise direkt im Straßenplanum befanden und so den Verkehr insbesondere auf den von der Bahn zu querenden Uferstraßen des Landwehrkanals behinderten. Die Lage der Gleise auf Straßenniveau stellte damit auch für den Schiffsverkehr ein Problem dar. Denn die flachen, an die Höhe der Uferstraßen angepassten Eisenbahnbrücken boten den Schiffen auf dem Landwehrkanal keine ausreichende Durchfahrtshöhe und waren daher als Drehbrücken ausgeführt worden - was wechselnde Wartezeiten jeweils für den Eisenbahn- oder den Schiffsverkehr bedeutete. Eine komplette Umgestaltung aller Bahnanlagen einschließlich des Baus einer neuen Bahnhofshalle sollte all diesen Problemen abhelfen.

 

Am 15. Juni 1880 konnte der neue, vom Architekten Franz Heinrich Schwechten (u. a, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Kulturbrauerei) und dem Ingenieur Heinrich Seidel ausgeführte Anhalter Bahnhof seiner Bestimmung übergeben werden. Neben der Schaffung eines ausreichend großen Hallengebäudes, welchem als eines der ersten auch seine Bestimmung als Bahnhofsgebäude durch die rundbogige, die eigentliche Bahnsteighalle erahnen lassende Fassade anzusehen war (und diese Funktion nicht mehr hinter eckigen, an italienische Palazzos erinnernde Fassaden versteckte), war vor allem die neue Gleisebene rund 4,50 m über dem Niveau der umliegenden Straßen angeordnet worden. Eine Behinderung des Straßen- wie auch des Schiffsverkehrs konnte damit vermieden werden. 


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4 | Der alte Schöneberger Hafen

Doch durch den Neubau des Anhalter Bahnhofs entstand zugleich ein neues Problem: dem des Anschlusses des dem Bahnhofsareal benachbarten Schöneberger Hafens, der sich noch bis in die 1960er Jahre auf dem Gelände des heutigen Mendelssohn-Bartholdy-Parks am gleichnamigen U-Bahnhof befand. Bis zum Neubau des unweit entfernten Potsdamer Bahnhofs war die Hafenanlage per Bahn durch ein ebenerdiges, im Straßenplanum verlaufendes Gleis sowohl vom Potsdamer- als auch vom Anhalter Bahnhof aus erreichbar. Durch die allgemeine Höherlegung der Bahntrassen entfiel zunächst die Verbindung zum Potsdamer Bahnhof. Für den Anhalter Bahnhof als letzte Verbindungsmöglichkeit zum Hafen war daher zunächst die Anlage eine Gleisrampe geplant.

 

Da diese jedoch viel Grundfläche innerhalb des Bahnhofsareals benötigt hätte, entstand durch den Franz Schwechten unterstehenden Leiter der Bauabteilung I Berlin, Paul Faulhaber, eine wasserhydraulischen Aufzugseinrichtung, über welche einzelne Güterwaggons auf das Straßenniveau abgesenkt bzw. von dort gehoben werden konnten. Von der unteren Ebene der Aufzugseinrichtung verlief das Gleis nach Querung der Schöneberger Straße zum auf der anderen Straßenseite beginnenden Hafengelände.

 

Der Schöneberger Hafen blieb damit auch weiterhin der einzige Hafen des Landwehrkanals, welcher einen Eisenbahnanschluss besaß. Neben der Aufzugsanlage entstand zudem ein Maschinenhaus, das nicht nur die nötige Energie für den hydraulischen Güterwagenaufzug, sondern auch für die Gepäckaufzüge zur Bahnsteigebene des Anhalter Bahnhofs lieferte. 

Plan des Anhalter Bahnhofs von 1884

13| Lageplan des Zweiten Anhalter Bahnhofs, 1884. Die Gleise liegen nun 4,5 m über Straßenniveau auf einem Hochplateau. Erhalten blieben die Gebäude der ehem. Betriebswerkstatt der Anhalter Bahn auf Straßenniveau, die jedoch nunmehr anderen Zwecken wie etwa als Getreidespeicher oder Speditionsschuppen dienten. Zur Vermittlung zwischen der höher gelegenen Gleisebene und den Gleisen auf Straßenniveau entstand ein Güterwagen - Aufzug (blaue Rahmung) direkt am Bahndamm. Die Gebäude an der Schöneberger Straße (rote Rahmung) wurden erweitert und folgen noch immer der Fluchtlinie der alten Anlagen des ersten Anhalter Bahnhofs.  

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Luftaufnahme des Anhalter Bahnhofs von 1919

14| Luftaufnahme des Geländes an der Schöneberger Straße, 1919. In Bildmitte der Schornstein des Maschinenhauses, darunter, leicht schräg versetzt, die Aufzugsanlage für Güterwaggons. Auch zu sehen: die beiden um 1900 entstandenen, bis heute auf dem Garagengelände existierenden (auf der schwarz-weiß Aufnahme hellen) Gebäude direkt an der Schöneberger Straße unterhalb des mit einem Knick zum Bahnhofsgelände verlaufenden Verbindungsweges. Oben rechts die von Franz Heinrich Schwechten erbaute Halle des Anhalter Bahnhofs.  

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Dank der platzsparenden Bauweise der Aufzugsanlage konnten die zwischen dem Hochplateau der Bahnsteigebene und der Schöneberger Straße gelegenen alten Schuppenanlagen und Gebäude aus der Zeit des ersten Bahnhofs der Anhalter Eisenbahn von 1841 zunächst bestehen bleiben. Erhalten blieb damit auch ein kleiner Kohlenplatz direkt an der Schöneberger Straße, an dessen Rand die Eisenbahngesellschaft zwei kleine Gebäude errichtet hatte.

 

Da diese Gebäude Bezug zur Fluchtlinie der übrigen Gebäude der Anhalter Bahn nahmen, die Straße jedoch in einem schrägen Winkel zu den senkrecht zu ihr stehenden Werkstattanlagen der Eisenbahn verlief, hatten die beiden Gebäude eine eigenartige, winklige Form. Im Laufe der Zeit war diese kleine Gebäudegruppe an der Schöneberger Straße um weitere Anbauten verlängert worden, ehe sie auf Grund der Planungen zum Neubau der Bahnhofsanlage zunächst zur Disposition standen.

 

Mit dem Wegfall der Rampenplanung blieb die Gruppe in der Mitte des künftigen Garagengeländes erhalten – ergänzt um eine gegen Ende der 1920er Jahre errichteten Tankstelle sogar im Kern bis heute. Von Beginn an waren die Gebäude an die damals bekannte Kohlengroßhandlung Berger & Kulp vermietet worden. Um 1900 dürfte dann auch das Gebäude der heutigen Autowerksatt an der Schöneberger Straße und der Ecke zum bereits damals bestehenden „Durchgang zur Möckernstraße“ entstanden sein, das lt. Adressbuch zusammen mit dem dahinterliegenden Gelände die Nummern Schöneberger Straße 21, 22, 22a erhielt und im Besitz des Eisenbahnfiskus, später der Reichsbahn war.  


Längsschnitt der Hubbühne

15| Längsansicht Hubbühne. Rechts die höhere  Gleisebene, links die tiefliegende Straßenebene.  

Frontansicht der Hubbühne

16| Frontansicht. Ein- und Ausfahrt der Gleisebene. 

Blick auf die Ein- und Ausfahrtsseite

17| Frontansicht. Ein- und Ausfahrt der Straßenebene. 

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Die Hydraulik der Hubbühne

18| Querschnitt durch das Innere der Hubbühne. Per Wasserhydraulik wurden die Waggons abgesenkt oder angehoben. 


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5 | Die zwanziger Jahre

Für das Jahr 1929 ist letztmalig die Kohlengroßhandlung Berger & Kulp als Mieter des Geländes an der Schöneberger Straße erwähnt. Im darauffolgenden Jahr findet sich stattdessen ein Eintrag der „Excelsior Garagen“ als Beleg für die Errichtung der hier noch heute bestehenden Garagenanlage. Es handelt sich dabei um den Garagenbetrieb des nur wenige hundert Meter entfernten, an der damaligen "Königgrätzer Straße (heute Stresemannstraße) Ecke Anhalter Straße liegenden Hotelbetriebs.

 

1919 war das "Excelsior" von Curt Elschner übernommen worden, der gegen Ende der zwanziger Jahre ein gewaltiges Modernisierungs- und Erweiterungsvorhaben umsetzte und es so zum "größten Hotel des Kontinents" mit über 600 Zimmern ausbaute. Allein in seinen Restaurants bewirtete das Hotel nun täglich bis zu 15000 Menschen.

 

Zu den größten Sensationen des sich überwiegend an Geschäftsreisende richtende Hotels zählte nicht nur die moderne Ausstattung der Zimmer mit Telefon und Radio oder das 1928 errichtete "Excelsior-Bad", sondern vor allem der ebenfalls 1928 fertiggestellten "Excellsior- Hoteltunnel, welcher den Gästen einen bequemen, die heutige Stresemannstraße unterirdisch querenden Übergang aus der Vorhalle des Anhalter Bahnhofs ins Hotelvoyer bot. Über die Ausgänge des Anhalter Bahnhofs an der ehem. Bahnhofsstraße war das Garagengelände bequem für die Gäste erreichbar.

Luftaufnahme von 1920

20| Luftaufnahme des Anhalter Bahnhofs (oben) und des Schöneberger Hafens (unten), um 1920. Die Schöneberger Straße verläuft quer von links nach rechts unten über das Bild. Am oberen Rand des Hafenbeckens ist die Schöneberger Brücke zu sehen. An der Ecke zum Halleschen Ufer liegt die alte Feuerwache, rechts von ihr das Pumpwerk sowie die Reichsbahn - Hauptverwaltung (das Gebäude wird nach radikalem Umbau in den 1950er Jahren heute von der "Securitas" genutzt) am Landwehrkanal. Das heutige Garagengelände erstreckt sich dahinter. Kurz vor den Bahngleisen ist das Maschinenhaus mit seinem hohen Schornstein und daneben der Güterwagen-Aufzug zu sehen.  

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Das Hotel Excelsior in den 1920er Jahren.

20a| Das Hotel Excelsior in den 1920er Jahren. Es richtete sich mit seiner gehobenen Ausstattung im mittleren Segment vor allem an reisende Geschäftsleute.

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Der Hoteltunnel des Excelsiors zum Anhalter Bahnhof.

20b| Der vom Hotel errichtete Fußgängertunnel. Der Tunnel verlief vom Untergeschoss des Hotels quer unter der Stresemannstraße direkt zum Anhalter Bahnhof, wo eigens ein Aufzug errichtet wurde.


Blick auf das Vorfeld des Anhalter Bahnhofs

19| Blick auf das Vorfeld des Anhalter Personenbahnhofs, 1901. Der links zu sehende hohe Schornstein gehört zum Maschinenhaus, das die notwendige Antriebskraft für alle Aufzüge auf dem Bahngelände bereitstellte. Vor dem Maschinenhaus hinter dem Baum zu sehen: Der Güterwagen-Aufzug, der mit offenen Toren für den nächsten Hubvorgang bereitsteht.   

Für den Bau des Hoteltunnels waren umfangreiche Verhandlungen mit der Reichsbahn notwendig, die sicher auch das unweit entfernte und weiterhin der Reichsbahn gehörende Garagengrundstück betrafen. 1931 ist auf dem Garagengelände zusätzlich die „Mineralöl Vertriebs GmbH“ (Minex) vermerkt, die eine Tankstelle mit überdachten Zapfsäulen direkt an der Schöneberger Straße errichtete.

 

Das Hotel wurde im Krieg bzw. in der Nachkriegszeit durch angeblich gelegte Brände mit Ausnahme eines Seitenflügels an der Anhalter Straße stark zerstört. Elscher, der versucht hatte, in der Nachkriegszeit wieder wirtschaftlich Fuß zu fassen, ließ das Grundstück enttrümmern. Von 1967 bis 1972 baute hier die  „Excelsior-Tankstellen GmbH & Co KG“ das "Excelsiorhaus" mit seinem schnell zu einer West-Berliner Sehenswürdigkeit gerierenden gläsernen Fahrstuhlanlage an der Außenseite des Gebäudes.

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6 | Nach dem Zweiten Weltkrieg

Während der Anhalter Bahnhof im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden davon trug kam das Garagen-Gelände mit verhältnismäßig geringen Schäden davon. Zudem waren diese auf Grund der eher einfachen Bauart der meisten Gebäude schnell wieder auszubessern. Lediglich das sich direkt der Tankstelle anschließende, aus der Zeit des ersten Anhalter Bahnhofs stammende, fest gemauerte Gebäude hatte sein Obergeschoß verloren und wurde nur provisorisch wiederhergestellt.

 

Das Umfeld des Anhalter Bahnhofs war durch Luftangriffe auf die kriegswichtigen Eisenbahnanlagen gleichfalls stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die meisten der direkt am Bahnhof gelegenen Wohnhäuser waren zerstört, ebenso die neben dem Pumpwerk an der Ecke zum Halleschen Ufer gelegene Feuerwache. Erhalten blieb hingegen das alte Maschinenhaus. Der Garagenbetrieb firmierte nun als „Garagen am Anhalter Bahnhof, Inh. K. Schlaf“. Wie lange die Tankstelle noch existierte, ist unklar.

 

Eigentümer des Geländes blieb bis in die 1960er Jahre weiterhin die „Deutsche Reichsbahn“, da der „Reichsbahn der DDR“ in West-Berlin auf Grund einer alliierten Weisung die Betriebsrechte oblagen. Der Bahnverkehr des Anhalter Bahnhofs wurde indes bis 1954 stillgelegt, das immer noch imposante Hallengebäude in den Jahren 1959 – 1964 zum Teil durch Sprengungen abgetragen. Heute erinnert nur noch der erhalten gebliebene Portikus an den einst wichtigsten Berliner Bahnhof. 

Luftaufnahme von 1940

21| Luftaufnahme des Anhalter Bahnhofs in den 1940er Jahren. Inzwischen ist der ehem. Kohlenlagerplatz zu einem Garagengelände umgebaut worden. Das alte Maschinenhaus ist über dem Gelände zu sehen und nun Teil einer langen, sich beinahe bis zum Kanal hinziehenden Front von Bürobaracken, welche nach der Zuschüttung der Baugrube für die Nord-Süd-S-Bahn endstanden sind. An der hellen Dachfläche ist in Bildmitte der inzwischen entstandene Hochbunker zu sehen, welcher heute von der Berlin Story genutzt wird.  

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Luftaufnahme von 1950

22| Luftaufnahme des Anhalter Bahnhofs von 1950. Das Gebäude der ehem. Reichsbahnzentrale am Halleschen Ufer mit seinem prächtigen Säulenportikus ist nur noch eine Ruine. Das alte Abwasserpumpwerk daneben hat den Krieg überstanden, die Ruine der Feuerwache an der Ecke zur Schöneberger Straße ist vollständig abgeräumt. Erhalten blieb das Garagengelände samt Tankstelle und den beiden Gebäuden aus dem Jahre 1900. Auch das Maschinenhaus mit seinem hohen Schornstein ist noch vorhanden. 

Der benachbarte Schöneberger Hafen fiel indes der Verkehrsplanung des Senats zum Opfer. West-Berlin sollte zu einer „autogerechten Stadt“ umgestaltet  werden, ein Netz von Autobahnen den damaligen Bezirk Kreuzberg durchziehen. Das geplante Autobahnnetz benötigte leistungsfähige Zubringerstraßen, zu denen nun auch Teile des  Tempelhofer-, Schöneberger- und Halleschen Ufers zwischen der neu zu errichtenden Potsdamer- und der geplanten Mehringbrücke gehören sollten.

 

Da zu diesem Zeitpunkt der Verkehr noch umständlich um den Schöneberger Hafen herum über die Schöneberger Straße, den Hafenplatz und die Köthener Straße verlief, wurde beschlossen, den von alten, bereits von Theodor Fontane gerühmten Bäumen umstandenen Hafen in den Jahren 1959 – 1960 zuzuschütten, um damit eine gradlinigere und leistungsfähigere Straßenführung des Halleschen Ufers zu erreichen. 

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Auf das alte Garagengelände hatte dies nur wenig Einfluss, lediglich die umgebende Bebauung änderte sich im Laufe der Jahrzehnte stark – der alte Bahnhof ist fast vollständig verschwunden, hier erhebt sich heute das Tempodrom und ein Sportplatz. Lediglich Reste der alten Bahnsteige blieben hinter dem Tempodrom erhalten - und die Ruine des Portikus der Bahnhofshalle am Askanischen Platz. 

 

Das Garagengelände mit seinen alten Baulichkeiten begann allmählich aus der Zeit zu fallen, war zuletzt ein Anachronismus in einer wieder zusammenwachsenden Stadt, in der Bauland knapp und Mietswohnungen stark gesucht sind. So war es im Grunde klar, dass diese Schuppenlandschaft angesichts des sich zunehmend verstärkenden Wohnungsmangels in der Stadt auf Dauer nicht bestehen bleiben konnte. 

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Werbung für den "Berlin Story Bunker" am Garagengelände Schöneberger Straße.

23| Im Jahr 2021 hat sich das Garagengelände bereits deutlich verändert. Der hintere Teil des Garagenareals wurde zugunsten eines im Entstehen begriffenen Neubauprojektes bereits abgebrochen. Seit 2015 befinden sich Hinweise auf den benachbarten Berlin Story Bunker am Gebäude der Autowerkstatt. 


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Ansicht des geplanten WoHo - Wohnturm des Büros Mad arktiker

24| Ansicht des WoHo - Wohnturmes auf dem ehem. Garagengelände von der Schöneberger Straße aus. Foto: Mad arktikter

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7 | Das WoHo Holzhybridhaus der UTB

Am 29. Januar 2020 wurden der Öffentlichkeit die Siegerentwürfe des norwegischen Architekturbüros "Mad arkitekter" vorgestellt. Das Büro war als Gewinner aus einem Realisierungswettbewerb hervorgegangen, welcher den Bau mehrerer Holzhybridgebäude, darunter einem 98 m hohen Wohnturm mit 29 Geschossen, auf der Fläche des alten Garagengeländes vorsieht. Die Bezeichnung "Hybridgebäude" verweist dabei auf den Umstand, das lediglich die Treppen- und Aufzugskerne noch aus Beton bestehen.

 

Entwickler und Bauherr ist die in Kreuzberg am Columbiadamm ansässige Berliner UTB Projektmanagement GmbH, die bereits Projekte wie die Sanierung der alten Mälzerei in Lichtenrade oder den Bau der roten Wohnhäuser "Am Lokdepot" an den Nahverkehrshalle des Deutschen Technikmuseums am Bahnhof Südkreuz realisiert hat. Wert wird vor allem auf eine für den Stadtteil Kreuzberg typische soziale Mischung gelegt. Daher gibt es neben Eigentums- und Genossenschaftswohnungen auch einen hohen Anteil an mietpreisgebundenem Wohnraum. Im Turm wird es zudem betreute Wohnungen für Demenzkranke und Jugendliche geben. Die umliegenden Gebäude des Komplexes mit Ihrer Höhe von 7 Geschossen sollen auf den Dach Flächen für Kitas und einem Hort erhalten, während im Gebäude selbst Atelierflächen für Künstler und andere Gewerbetreibende vorgesehen sind. Ein Teil der Gebäudeflächen wird öffentlich zugänglich sein.

 

Das Projekt entspricht damit einer neuen Entwicklung, den Baustoff Holz auch beim Bau von Hochhäusern zu verwenden. Den Anfang machte dabei in Deutschland Hamburg mit seinen bereits im Bau begriffenen Projekt "Roots" in der Hafencity, wo ein 68m hohes Gebäude entsteht. Aber auch in Lausanne ist der Wettbewerb zum Bau eines Holzhochhauses, dem 85m hohen "Tilla Tower" inzwischen entschieden worden.


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8 | Schlusswort und Ausblick

Wenn ich heute mit meiner Kamera durch Kreuzbergs Straßen gehe, dann ist dies immer zugleich auch eine mentale Reise in eine Zeit, als ich vom Elternhaus am Planufer aus die alten, dem Verfall überlassenen Bahnanlagen im damaligen West-Berlin und die Gegend unweit Mauer und des im Sperrgebiet liegenden Potsdamer Platz erkundete. Überdeutlich sehe ich noch jene riesige Schotterfläche hinter der Portalruine des Anhalter Bahnhofs vor mir, an deren Seite sich lediglich ein einsamer Imbiss befand - und dem Wim Wenders 1987 mit seinem Film "Der Himmel über Berlin" ein cineastisches Denkmal gesetzt hatte.  Doch mit dem Fall der Mauer haben sich die Dinge geändert. Vieles von dem, was altvertraut war, wird und kann angesichts dringender Probleme in der Stadt nicht mehr fortbestehen. So wird das geplante Holzhybridhaus auch nur eines von vielen Hochhausprojekten anderer Bauträger sein, die sich entlang der alten Eisenbahntrassen auf den Potsdamer Platz zubewegen und so die dortigen, bereits bestehenden Hochhäuser in ein übergeordnetes Konzept einbinden.

 

Für alte, aus der Zeit gefallene Garagengelände wird es dann keinen Platz mehr geben - aber dafür neuen, dringend benötigten Wohnraum. Wenn ich mir das damalige, ziemlich öde und trostlose Szenario nahe der Mauer wieder vor Augen halte, ist dies zugleich auch eine willkommene Veränderung. Neues Leben kehrte und kehrt da ein, wo es einst durch den Mauerbau und durch den Krieg geschlagene Baulücken vertrieben worden ist - und breitet sich auch da aus, wo es nur durch die Wechselfälle der Zeit eher zufällig  - im wahrsten Sinne des Wortes nicht "zum Zuge" - gekommen ist. 

 

Ob bei Fertigstellung des WoHo - Projektes eine kleine Ausstellung an den "Aufzug für Güterwagen" - gewissermaßen der Vorgänger der hier dann errichteten Fahrstuhlanlagen der neuen Wohngebäude - erinnern wird?

Ansicht des geplanten WoHo - Wohnturm des Büros Mad arktiker vom Tempodrom aus

25| Blick auf den WoHo - Wohnturm vom Tempodrom aus. Im Hintergrund der 1993 - 1997 durch Renzo Piano errichtete "Atrium-Tower" (früher Debis-Hochhaus) am Landwehrkanal. Foto: Mad arktikter 

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