Von Schmidt zu Liptow und Riedel. Die Ankerklause heute
Der Anleger Kottbusser Brücke
Teil 2. Die Reederei Otto Schmidt und die Ankerklause
Weihnacht5
7 | Weihnachtsbaumverkauf an der Anlegestelle
Das Winterhalbjahr stellt seit jeher nicht nur die Berliner Reedereien vor Probleme. Die Schiffe lagen wegen des Eisgangs und geschlossener Schleusen ungenutzt an den Anlegestellen vor Anker, allenfalls Reparaturen oder Umbauten fanden in jener Zeit noch statt. Doch Otto Schmidt blieb auch in dieser Jahreszeit nicht untätig.
So bezog er zunächst aus Dänemark, später aus einem eigenen Wäldchen als einer der größten Weihnachtsbaumhändler Berlins seine Ware, die er per Bahn anliefern ließ und an der Kottbusser Brücke an Deck seiner Schiffe verkaufte. Alljährlich war dies ein stadtbekanntes Ereignis, über das die Berliner Abendschau ebenso wie die Tagespresse berichteten. Stets einen lustigen Spruch auf Lager, wurde der allseits beliebte Otto Schmidt seine Ware geradezu im Handumdrehen los.
| Otto Schmidt, der mit seinem Auto alljährlich nach Dänemark fuhr, um Weihnachtsbäume zu bestellen. Das KB - Kennzeichen steht übrigens für "Kommandantura Berlin" und wurde ab 1947 bis 1956 für Fahrzeuge in West-Berlin ausgegeben.
Kino6
8 | Kino auf dem Wasser
Zu einer besonderen Idee, um im Winter seine stillliegenden Schiffe besser auszulasten, kam es an einem Neujahrsmorgen im Jahr 1952, als "ein Kapitän ohne Fahrgäste (Otto Schmidt), ein Theaterdirektor ohne Theater (Wulf Rittscher war ehemaliger Direktor des im im Krieg zerstörten "Berliner Theater" in Kreuzberg) und ein Reporter mit einer Schnapsidee" beisammensaßen. Man solle doch "auf einem der Schiffe Theater oder Kino machen" schlug der Reporter vor. Sechs Wochen später war es dann soweit. Ein offenbar selbst angefertigtes Plakat am Ufer kündete von der neuen Möglichkeit, auf der "Karo-As" nunmehr Stummfilme sehen zu können.
Der Zuschauerraum auf dem Schiff fasste hundert Personen, "wenn diese dicht gedrängt wie Sprotten in der Kiste" auf ihren Stühlen beisammen saßen. Rechts neben der Leinwand saß der Erklärer, dahinter, inmitten des Publikums in einer Loge, der "Herr Operateur" G. Schwieger. Seine Künste wurden vom Publikum bejubelt, insbesondere, wenn er an erotischen Stellen einen roten Filter, bei Eifersucht einen gelben vor die Linse legte. Auch für musikalische Untermalung der Stummfilme war gesorgt: Am Piano saß meist der mit Otto Schmidt befreundete Fabrikant Willi Hagedorn, der gegenüber der Schiffsanlegestelle im Erdmannshof am heutigen Paul - Lincke - Ufer (damals Kottbusser Ufer 39-40) seine "Nougat- & Marzipanmassen–Fabrik Hagedorn & Co." betrieb. Dieser heute kaum mehr bekannte Unternehmen war bereits 1910 durch Wilhelm Hagedorn und Guntram Kieser begründet worden.
Das Kino auf der Pik-As jedenfalls lebte, so lässt sich dies aus einem "bewegten" Zeitungsartikel des "Telegraf" vom 9. März 1952 schließen, weniger von der hohen künstlerischen Qualität der gezeigten Filme, als von den versammelten Spaßvögeln und der Stimmung an Bord.
| Zeitungsartikel des "Telegraf" vom 9. März 1952 über das "Schwimmende Kintopp".
Bus7
| Einer der von Otto Schmidt beschafften Autobusse, die alle den Namen der zugehörigen Schiffe erhielten. Der Bus "Kreuz-As" war ein "Ford-NWF-Schnellbus" - also ein Karosserie-Aufbau der heute nicht mehr bestehenden "Nordwestdeutschen Fahrzeugbau" (NWF) auf einem Ford-Fahrgestell. Produziert wurde das Fahrzeug von 1952-54.
| Fahrschein der Reederei Otto Schmidt. Bis 1952 waren Fahrten ins Umland von West-Berlin aus noch möglich. Die Druckerei Hch. Fasbender GmbH in Berlin, die mindestens seit dem Jahre 1900 bestand, zog 1950 von Ost - Berlin zur West- Berliner Besselstraße 13 um. Fasbender druckte u. a. auch die Fahrscheine der BVG.
9 | Eierfahrten und Busfahrdienste
Nachdem Schiffsfahrten von der Kottbusser Brücke aus ins Umland, das nun zur "Sowjetischen Besatzungszone" gehörte, bereits ab 1952 unmöglich wurden, bot nun die Reederei Otto Schmidt notgedrungen Fahrten ausschließlich innerhalb West-Berlins an. Zu den vom Schiffsanleger an der Kottbusser Brücke angesteuerten Zielen gehörte u. a. die Pfaueninsel, Fahrten zum Oktoberfest am Lützowplatz und, natürlich, wie bereits schon vor dem Krieg weiterhin die traditionellen Eierfahrten nach Schildhorn.
Traditionell fanden an jedem Ostersonntag zum Saisonstart die schon legendären "Eierfahrten" mit den Schiffen der Reederei Otto Schmidt statt. Der Brauch sah vor, das der Gastwirt, bei dem im Frühling zuerst ein Schiff anlegt, der Besatzung einen Korb mit einer Mandel (15 Stück) gefärbter Eier spendiert, während die Fahrgäste jeweils ein Ei erhielten. Und so fuhren die Schiffe der Reederei Schmidt jedes Jahr aufs Neue zum mit Otto Schmidt befreundeten "Schildhornwirt" E. Brunow . Auch, als die Schildhorn-Gaststätte in eine "Wiener-Wald Hähnchen-Braterei" umgewandelt worden war, setzte Otto Schmidt die werbeträchtigen Schiffsfahrten weiterhin fort.
Neben den "Eierfahrten" erfreuten sich auch seit den 1950er Jahren die kombinierten Fahrten mit Schiff und Autobus großer Beliebtheit. Otto Schmidt hatte hierzu mehrere Autobusse beschafft, welche den Namen seiner Schiffe trugen. Ein Novum, denn eigene Autobusse statt gemieteter setzte zuvor keine Berliner Reederei dauerhaft ein. Die Anlegestelle wurde seither auch als "Dampfer Bus- Bahnhof" bezeichnet.
| Die Veranda der Schildhorn-Gaststätte zur Zeit des mit Otto Schmidt befreundeten Inhabers E. Brunow. Im Hintergrund ist die Havel zu sehen.
| Otto Schmidt erhält am Anleger der Schildhorn-Gaststätte E. Brunow (Name rechts auf dem Schultheiss-Schild auch zu lesen) zur Begrüßung ein Präsent.
| Zeitungsbericht der "Nacht-Depesche" vom 16. April 1962 über die Eierfahrt zur mittlerweile von der Restaurantkette "Wienerwald" betriebenen Schildhorn-Gaststätte.
| Die Schildhorn-Gaststätte als "Wienerwald"-Restaurant.
Vor jeder "Eierfahrt, die ja die erste Fahrt in der Saison war, galt es "klar Schiff" zu machen. Den Winter - und dessen Staub - galt es mit Schrubbern und Wassereimern auszutreiben. Ein Spektakel, das offenbar von den Passanten auf der wiederhergestellten Kottbusser Brücke kaum beachtet wurde. Auf der Aufnahme rechts ist im Hintergrund links die Ruine des im Krieg von Bomben getroffenen Hauptgebäudes der Synagoge Fraenkelufer am hohen freistehenden Dreiecksgiebel erkennbar. Erhalten blieb nur der (hier nicht zu sehende) schmale Bau der ehem. Wochentagssynagoge. Vor den Brandwänden der mit Werbung geschmückten Häuser am Fraenkelufer und in der Kohlfurter Straße (Persil und Dujardin) wird bald eine auf Borgward - Fahrzeuge spezialisierte Tankstelle mit Werkstatt errichtet werden.
Jubel8
10 | 40-jähriges Jubiläum der Reederei
Das 40-jährige Jubiläum der Reederei Otto Schmidt am 2. September 1960 stellte, ohne das es den meisten bewusst war, einen Zeitenwende dar. Noch einmal wurde groß gefeiert. Doch schon bald würde das letzte Schiff der Reederei Otto Schmidt für immer vom Ufer ablegen...
Beinahe alle Mitarbeiter der Reederei sind aus diesem Anlass für ein Foto (Bild rechts) angetreten. Von links nach rechts: 1. Bürokraft Frau Schneider, mit dunkler Mütze Hans Turn (Schiffsführer), rechts neben ihm Frau Erni (war mit Hans Turn liiert), in weißer Kellner-Uniform Herr Kappelt, mit weißer Mütze Fahrkartenverkäufer Herr Otto Zwetschge...
| Das Jubiläumsfoto. Legende im nebenstehenden Text.
| Einladung zum 40jährigen Jubiläum am 2. September 1960 - mit kleinem Rechtschreibfehler. "Labskaus" ist hierzulande allerdings auch nicht ganz gebräuchlich.
...und in der Mitte des Fotos steht mit geblümten Kleid Anni Schmidt und Ehemann Otto Schmidt. Rechts neben Herrn Schmidt mit Krawatte und Brille der Eislieferant der Reederei, der zugleich auch zwei Fischstände in den Markthallen Moabit und Alt-Tegel besaß. Neben diesem Frau Hannelore Schmidt (Ehefrau von Heinz Schmidt). Rechts davon in zweiter Reihe stehend mit dunkler Kapitänsmütze Schiffsführer Herr Bauer.
Auch das Einladungsschreiben, das einst an die Festgäste verschickt worden war, blieb nach all den Jahrzehnten erhalten. Bewegende Dokumente einer einst stadtbekannten Reederei, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Eierfahrt9
11 | Die letzte Eierfahrt
Am 21. April 1963 machte Otto Schmidt, mittlerweile 63 Jahre alt, zum letzten mal die Leinen zu einer Eierfahrt auf seinem bereits von der Reederei Hans Liptow gecharterten Flaggschiff, der "Pik As", los. Denn sein ursprünglich zum Nachfolger ausersehene Neffe Joachim Schmidt lebte in Glindow in der DDR, die sich zwei Jahre zuvor durch den Mauerbau endgültig abgeriegelt hatte. Und Otto Schmidts Bruder Heinz war, wie auch Otto Schmidt selbst, zu diesem Zeitpunkt ernstlich erkrankt. So blieb, wie mir Heinz Schmidt erzählte, nur noch der Verkauf der Reederei.
1963 ging die "Kreuz AS" an die Reederei Karl-Heinz-Winkler, welche das Schiff in "Europa" umbenannte. Die in Spandau ansässige Reederei A. Haupt übernahm die "Herz As" und taufte sie in "Frohsinn" um. Die "Pik AS", mit der Otto Schmidt 1963 zum letzten Mal gefahren war, übernahm 1964 endgültig die Reederei Hans Liptow, an welche auch die Schiffsanlegestelle an der Kottbusser Brücke überging.
Otto Schmidt verstarb am 5. August 1966 nach langer schwerer Krankheit. Seine Beerdigung fand am 12. August 1966 auf dem Städtischen Friedhof in Heiligensee in der Sandhauser Straße unter der Anteilnahme vieler Berliner Schifffahrtsangehöriger, Gaststättenbesitzer und Vertreter der Weihnachtsbaumgroßhändler statt. Mit Otto Schmidt ging ein Berliner Original verloren, dessen Humor und Geschäftssinn weithin bekannt waren.
| Zeitungsartikel der "Bild" vom 22. April 1963 über die letzte Eierfahrt.
| Ehrenrunde mit dem Sarg Otto Schmidts. Auf dem Sarg liegt seine Kapitänsmütze. Davor stehend mit Blick auf den Sarg, sein Enkel Heinz Schmidt.
| Nachruf auf Otto Schmidt im "Telegraf" vom 14. August 1966.
| Weihnachtsbäume und Weihnachtsgänse. Beitrag der Abendschau vom 4.12.21962. Otto Schmidt war ein kreativer Kopf wenn es darum ging, auch die Kühle Jahreszeit zu nutzen, während der kein Schiffsverkehr durchgeführt werden konnte. Wie der Bericht zeigt, verkaufte er an der Liegestelle Kottbusser Brücke Schiffe erfolgreich Weihnachtsbäume.
Ein Klick auf das Bild führt sie zur ARD Mediathek.
| Letzte Eierfahrt von Kapitän Otto Schmidt. Ein Beitrag der Abendschau vom 22.04.1963. Otto Schmidt war zu diesem Zeitpunkt bereits ernstlich an Krebs erkrankt. Er spürte, das seine Zeit bald vorbei war. Ein Klick auf das Bild führt sie zur ARD Mediathek.
Riedel10
| Die "Pik-As" und die dahinterliegende, für Hans Liptow bereits 1953 gebaute und 1965 auf 32m verlängerte "Brigitte" Ende der 1960er Jahre an der Kottbusser Brücke. Postkarte der Reederei Hans Liptow.
12 | Übernahmen durch Liptow und Riedel
Bereits 1963 hatte die Reederei Hans Liptow den Anleger an der Kottbusser Brücke einschließlich der "Erfrischungshalle" bereits in Pacht von Schmidt übernommen. Fortan sah man daher auch die bereits 1953 für die Reederei Liptow gebaute "Brigitte" nun an der Kottbusser Brücke. Hinzu kam nun die von Otto Schmidt übernommene "Pik As". Ab 1966 ist in den Berliner Branchenbüchern die ehemalige, 1960 erheblich erweiterte "Erfrischungshalle" als Gaststätte mit dem Namen "Zur gemütlichen Ankerklause" vermerkt.
1968 wird die Reederei Otto Schmidt endgültig durch Hans Liptow übernommen. Eine Postkarte belegt, das die unter Otto Schmidt bereits stark erweiterte einstige Erfrischungshalle den Namen "Zur gemütlichen Ankerklause" trägt. Ob diese Namensgebung bereits unter Schmidt oder erst unter Liptow erfolgte, muss offen bleiben.
Am 9. April 1974 wird die Reederei Liptow durch die Reederei Riedel übernommen, welche den Anleger bis heute betreibt. Durch die Reederei Riedel sollte die "Ankerklause" zu ihrer heutigen Größe ausgebaut werden...
| Das Gebäude der inzwischen in "Zur gemütlichen Ankerklause" umbenannten ehem. Erfrischungshalle unter der Reederei Liptow. Rechts, zwischen dem seitlichen Fenster und der Telefonzelle, der Treppenabgang zur Schiffsanlegestelle.
| 1988 wurde die Ankerklause erheblich erweitert, siehe auch nachfolgendes Kapitel. Grundrissdisposition der Ankerklause des Architekten Jürgen Soltkahn. Kioskanbau und Veranda- Verglasung, 1987, Maßstab 1:50. Links, zwischen dem ursprünglichen Bestandsbau und der Kottbusser Brücke, ist der zur Nutzung als Kiosk vorgesehene Erweiterungsbau (an Stelle des einzeln stehenden Zeitschriftenstandes) erkennbar. Zur Straßenseite wurde zudem die bislang offene Veranda der Ankerklause in einen mit verschließbaren Fenster- und Türelementen ausgestatteten Anbau umgewandelt. Hier nicht eingezeichnet ist die im gleichen Jahr genehmigte und ausgeführte Terrasse zur Kanalseite.
Ankerklause11
13 | 2. Erweiterungen der Ankerklause
Die Reederei Riedel übernahm die Gaststätte "Zur gemütlichen Ankerklause" zunächst ohne große Veränderungen. Erst Mitte der 1980er Jahre begannen Planungen, die Grundfläche der Ankerklause um den Standort des Zeitungskiosk direkt bis unmittelbar an die Brücke zu erweitern. Zeitschriften sollten nun direkt innerhalb des erweiterten Gebäudes verkauft werden, wozu der Anbau Fenster an der Brückenseite erhielt.
Größter Eingriff in den Bestand bedeutete jedoch die Anlage einer wasserseitigen, 2,5m breiten Terrasse, deren Bau - wie auch schon der neue Kiosk und die Schließung der straßenseitigen Veranda mit Fenster- und Türelementen - noch 1987 genehmigt und 1988 schließlich ausgeführt wurde.
Dabei mussten unter dem vorhandenen Gebäude Stahlträger zur Aufnahme der Bodenelemente eingeschoben werden, die ihrerseits durch weitere, schräg in das vorhandene Ufermauerwerk eingebrachte Stahlstreben abgestützt wurden. Planung und Ausführung erfolgten durch den Architekten Jürgen Soltkahn - welcher in der Bauleitung durch seinen Sohn Tassilo Soltkahn unterstützt wurde - sowie die statischen Berechnungen durch den Dipl. Ing. Adolf Trampert.
| Die "Ankerklause" 2017. Links der Bestandsbau mit der 1988 angefügten wasserseitigen Terrasse. Rechts der 1988 errichtete, die Lücke zwischen der Ankerklause und der Brücke füllende Kioskanbau.
Wende13
| Die "Ankerklause" 2017. Blick von der Brücke auf den Kioskanbau. Heute befindet sich hinter den Fenstern kein Zeitungskiosk mehr, sondern die Küche der Ankerklause.
14 | Nach der Wende bis heute
Im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurden auch die bislang von der DDR verwalteten ehem. Reichswasserstraßen in West-Berlin, zu denen auch der Landwehrkanal gehörte, in die Wasserschifffahrtsverwaltung des Bundes übertragen. Für die nunmehrigen "Bundeswasserstraßen" ist fortan das "Wasserschifffahrtsamt Berlin" (WSV) zuständig. In diesem Zusammenhang wurde auch die Pachtverträge zwischen der Reederei Riedel und dem WSV Berlin erneuert. Eine Zusatzbedingung regelte u.a., dass bei Aufgabe des Betriebs sämtliche Bauten auf Kosten des jeweiligen Vertragsinhabers zu beseitigen seien.
Nach der Wende veränderte sich auch der Schiffsbetrieb im Kanal erheblich. Da nun auch der im Ostteil der Stadt befindliche Abschnitt der Spree für die Personenschifffahrt (bis dahin nur Frachtschiffe) zur Verfügung stand war es möglich, den Inneren Stadtkern in einer rund einstündigen Schiffstour in einer Art Kreisverkehr zu umfahren. Ein insbesondere bei Touristen sehr beliebtes Angebot, das zu einer starken Zunahme des Schiffsverkehrs auch im Landwehrkanal führte.
In der Folge vertiefte sich jedoch das Kanalbett durch die den Boden aufwirbelnden Schiffsschrauben von 1,90 m auf zum Teil über 3 m, was die Standfestigkeit der bereits ohnehin labilen Ufermauern des Landwehrkanals aus dem Jahren 1890 weiter gefährdete.
Am 19. April 2007 brach die Ufermauer im Bereich der Schiffsanlegestelle Kottbusser Brücke in sich zusammen und rutschte in den Kanal. Erst im Jahr 2010 konnte die Instandsetzung der Ufermauer auf rund 20 m Länge durch die Fa. Gebr. Kemmer für rund 1,8 Millionen Euro abgeschlossen werden. Ein Schiffsbetrieb wurde, trotz zwischenzeitlicher Bestrebungen der Reederei Riedel hier eine neue, erheblich größere und barrierefreie Steganlage zu errichten, bislang nicht wieder aufgenommen.
| Eine Aufnahme von mir aus dem Jahr 2007. Die Qualität der alten digitalen Kamera war nicht die beste, aber man sieht wie das Geländer des Anlegers durch die zusammengesackte Kanalmauer verbogen wurde.
| Der Inhaber der "Ankerklause", Ludger Schallenberg. Von Freunden und Stammgästen nur kurz "Schalli" genannt.
Im Jahr 2007 kam es aber nicht nur zu einer Änderung hinsichtlich des Schiffsbetriebes. Am 18. Dezember 2007 wurde die Gaststätte "Zur gemütlichen Ankerklause" von der Reederei Riedel an Claudia Aumüller und Ludger Schallenberg verkauft.
Auswahl und Qualität der angebotenen Speisen und Getränke wurden nun durch die neuen Inhaber erheblich verbessert, die Ankerklause auf das eher szenelastige Publikum des Umfelds ausgerichtet.
Zu einer inzwischen legendären Einrichtung ist der "First Thursday Club" geworden, welcher an jedem 1. Donnerstag im Monat mit stadtbekannten DJ's in der Ankerklause stattfindet. Mit Vertrag vom 24.8.2020 schied Frau Aumüller aus dem Gaststättenbetrieb aus, die gemeinsame GbR wurde aufgelöst. Seither ist Herr Schallenberg, von Stammgästen und Freunden nur kurz "Schalli" genannt, alleiniger Inhaber der Ankerklause, die offiziell weiterhin "Zur gemütlichen Ankerklause" firmiert.
Wenn ich heute bei meinen nunmehrigen Besuchen in Kreuzberg und Neukölln an der Ankerklause vorbeikomme, dann wird mir der Unterschied zu den Tagen meiner Kindheit besonders bewusst. Keine Raucherkaschemme mehr, in die sich nur wenige Stammgäste hineintrauen. Stattdessen reges Leben bereits an den straßenseitigen Tischen und Plätzen.
Die weit verbreitete Ansicht, dass "früher alles besser war" trifft auf die Ankerklause mit Sicherheit nicht zu. Meine Partnerin und ich wünschen der Ankerklause nicht nur angesichts ihrer spannenden Geschichte noch viele erfolgreiche Jahrzehnte.
| Blick von der wasserseitigen Terrasse auf den Landwehrkanal. Rechts das heutige Paul - Lincke - Ufer (nach dem Komponisten Paul Lincke).
| Gastraum mit Blick zur verglasten straßenseitigen Terrasse.
| Die verschachtelte Bauweise der "Ankerklause" erklärt sich aus ihrer Geschichte. Inhaber Ludger Schallenberg konnte dies erst kürzlich, angeregt durch meinen Bericht und auf Grund einer Dachreparatur, selbst bestätigen.
| Das Fenster im Anbau am Treppenabgang zur Anlegestelle.
| Die Straßenseite der Ankerklause mit den Erweiterungen und Umbauten von 1987.
| Die originelle, mit Blechen verkleidete Bar der Ankerklause, dahinter die Küche.
| Blick von der wasserseitigen Terrasse auf die Kottbusser Brücke.