Cartons... Humor von Adel
Lo Graf von Blickensdorf
Cartoons...
Humor von Adel
Ein selbstverständlich ernst gemeinter Kommentar über das abgelegene Charlottenburg, Damen in Kinos und einem wohlgewandeten Grafen
Bild und Text: Lutz Röhrig
Es gehört zu den großen Untugenden meiner Person, die, aufgewachsen in Kreuzberg und später wohnhaft in Blankenfelde am südlichen Berliner Stadtrand, bisweilen auch weiter entfernte Gebiete wie etwa Charlottenburg aufzusuchen.
Oft erfolgen diese Besuche dabei unbeabsichtigt. So stellte ich während eines Spazierganges, der mich von der elterlichen Wohnung am Planufer entlang des Landwehrkanals führte, überraschend fest, dass dessen letztes Teilstück dem Bezirk Charlottenburg zuzurechnen sei.
Und viele Jahre später erklärte mir ein Konzernbeauftragter der Bahn während einer Wanderung über stillgelegte alte S-Bahnviadukte, dass diese gleichfalls im Bezirk Charlottenburg liegen würden.
Ein kam fassbarer Umstand, stellte doch sonst der Bahnhof Zoo für mich ein Endpunkt dieses Bezirkes dar. Denn jenseits dieses Verkehrsbauwerks begann ein Terrain, das man allenfalls in Begleitung einer Dame zum Kinobesuche am nahegelegenen Kurfürstendamm aufgesucht hatte.
| Man merkte, dass Lo Graf von Blickensdorf, Adel verpflichtet, sehr bemüht darum war, allen Fragen der Umstehenden die passende Antwort teilwerden zu lassen.
| Die Nachfrage nach dem neuen Buch des stadtbekannten Charlottenburgers mit Hang zum figurengeschmückten Stück Torte war eine durchaus rege.
Nun, da ich mich glücklich schätzen kann, das Herz einer Frau dauerhaft erobert zu haben und die Anzahl der Kinos am Kurfürstendamm sich daher reduziert hat – oder gibt es etwa für das dortige Kinosterben noch eine andere Begründung? – komme ich nur noch gelegentlich in das Gebiet am Bahnhof Zoo, zumal auch tortenträchtige Einrichtungen wie das Café Möhring oder das Kranzler hier längst verschwunden sind und nurmehr der Modewelt als willkommene Verkaufskulisse dienen.
Eine dieser seltenen Gelegenheiten, wieder einmal den Bezirk aufzusuchen bot der drohende Abriss des Kant-Garagen-Palastes (Charlottenburg ohne Paläste - geht gar nicht), der von mir noch als Aufbewahrungsort automobiler Fahrgelegenheiten unbedingt auch im Inneren fotografiert werden musste, oder der baldige Ruhestand von Herrn Adam, welcher als „Schneider der Stars“ damals seine letzten Anzüge in seinem Atelier an der Meineckestraße anfertigte.
Herr Adam war es auch der mich auf den Umstand aufmerksam machte, dass man in Paris, London oder Rom auch alltags viel gepflegter gewandet die Straßen betritt. Berlin hingegen sei da eher Provinz. Es ist einer jener bemerkenswerten Zufälle, dass ausgerechnet in Charlottenburg bisweilen ein gar wohlgewandeter Mensch, noch dazu im scheinbaren Range eines Grafen, anzutreffen ist, welcher den Gegenbeweis zu dieser These des im Übrigen sehr freundlichen Herrn Adam darstellt.
Und so fuhr ich – ich gebe es zu, schon wieder - in jenen so fernen Bezirk, um jenen Grafen persönlich kennenzulernen. Denn nahe dem Sophie-Charlotte-Platz – wie gut, dass der Bezirk einen U-Bahnanschluss besitzt, welcher sich bis zum Bahnhof Zoo erstreckt - in der Buchhandlung Godolt präsentierte Lo Graf von Blickensdorf an einem 13. (zum Glück einem Mittwoch im März des Jahres 2024) gerade sein neuestes Buchwerk mit dem prägnanten Titel „Cartoons… zum Wegschmeißen“. Gekonnt vom Grafen höchstselbst angefertigte Zeichnungen illustrieren dabei einen Wortwitz mit Hintersinn und sprachlicher Doppeldeutigkeit– gepflegter Humor von Adel eben.
| Kein Hang zum Blumentopf sondern zu den dahinterliegenden eigenen Autogrammkarten deren Wert er augenzwinkernd als hoch einschätze: "Eine Autogrammkarte von ihm können man gut und gern gegen fünf von Roberto Blanco eintauschen..."
| Ein schriftstellerisches wie zeichentechnisches Werk, das nicht hoch genug in meiner Meinung zu halten ist - noch dazu mit persönlicher Widmung. Noch Tage danach beobachtete man mich mit einem leisen Schmunzeln in Erinnerung der Zeichnungen des Grafen.
Man merkt es dem Werk an, das Lo Graf von Blickensdorf einst für die Harald Schmidt Show dessen Gags geschrieben hat. Sein zeichnerisches Talent verfeinerte er nach seiner Ausbildung zum Schriften- und Plakatmaler und dem Studium der Fotografie bei dem Lichtbildner Pan Walther während seines Studiums der Malerei an der Fachhochschule Dortmund. In Berlin war er u. a. über viele Jahre an der Gestaltung des Stadtmagazins Zitty mitbeteiligt.
Ich gebe erneut zu, dass mich der Besuch der Buchhandlung und das Gespräch mit Ihrer Durchlaucht positiv stimmten. In vielen Teilen des Abends war es mir gar so, als sei Charlottenburg ein durchaus angenehmer Ort mit gepflegter Kultur - auch Caféhauskultur. Denn es gehört schließlich zum Markenzeichen Ihrer Durchlaucht, vor dem Fotografieren einem Stück Torte ein Modellfigürchen auf dessen Obst- oder Sahnehaupt zu stellen, weswegen man ihn auch den "Tortengrafen" nennt.
Es gehört zum guten Ton sich gegenüber ihrer Durchlaucht und der den Grafen für ein paar Stunden beherbergenden Buchhandlung Godolt, in geziemender Weise zu bedanken – für eine humorvolle Buchpräsentation garniert mit interessanten Einblicken in das wechselvolle Leben des nicht ganz echten, aber äußerst stilechten Grafen.
Ein Wiedersehen bei Kaffee und Torte wäre wünschenswert, denn schließlich, so ist dem Titel eines weiteren Werk des Grafen zu entnehmen, soll man bei dem Genuss von Torte auch abnehmen können…
| Lo Graf von Blickensdorf stellte sich Tapfer und wie immer gut gewandet nicht nur meiner Kamera...
| ...sondern auch den Fragen zu seiner Person. Es war ein vergnüglicher Nachmittag im ach so fernen Charlottenburg.