Karl - Marx - Straße 271
Das Lahn-Eck
Karl-Marx-Straße 271
Einleitung1
Ein Hauch des alten Berlins
Bild und Text: Lutz Röhrig
Schon lange wollte ich es einmal besuchen: Das Lahn-Eck an der gleichnamigen Ecke Lahn- und Karl-Marx-Straße 271. Doch bislang sollte es nicht sein. Ein Kamerabesuch des Neuköllner Hafens und des an der Lahnstraße beginnenden
und bis zum Oberhafen reichenden, einst durch Namen wie dem Karosseriebauer Gaubschat, den Norddeutschen Kabelwerken und, vor allem mir als Kaffeetrinker besonders naheliegenden Kaffeeröstereien bekannten Industriegeländes führte mich jedoch an dieser scheinbar aus der Zeit gefallenen Institution vorbei.
| Das ca. 1906 erbaute Eckgebäude an der Lahnstraße (links) und der Karl-Marx-Straße hat zum Teil seinen Stuck verloren. Bestehen blieb, über die Zeiten hinweg, das heutige Lahn-Eck.
| Die alte, hölzerne Wandvertäfelung und der heutzutage dunkelbraun, getünchte Deckenstuck erinnern an eine Zeit, als Eckkneipen noch so etwas wie ein zweites Wohnzimmer waren. Man ging in Pantoffeln mal eben runter auf ein "Herren-Gedeck" (Ein Bier und ein Gläschen Korn) oder einem Persiko (Kirschlikör).
Über 100 Jahre ist das Lokal schon alt und hat die einst typische Alt-Berliner Eckkneipen-Atmosphäre bewahrt. Die Wände tragen noch die alte Holzverkleidung, die Decken ihren dunkel übertünchten Stuckbesatz.
Die Wände zieren Bilder aus der Geschichte des Lahn-Ecks. Das Lokal ist überaus geräumig und verfügt über zahlreiche Plätze, die vor allem bei den Bingo-Abenden voll besetzt sind. Oder beim leckeren Eisbein-Essen.
Den alten Unterlagen zufolge muss das Gebäude an der Lahnstraße 1 Ecke zur damaligen Bergstraße 97–98 (die Bergstraße wurde am 31.7.1947 in Karl-Marx-Straße umbenannt) um 1906 entstanden sein.
Die zunächst hier ansässige Butterhandlung eines gewissen O. Breul hielt sich offenbar nicht lange, da schon im Adressbuch von 1908 ein Gastwirt F. Rückert eingetragen ist – offenbar der Begründer einer langen Kneipentradition in dem Gebäude.
Ab 1933/34 wird die Wirtschaft von einem Friedrich Duschek betrieben, der mit seiner Familie und einigen "Servicekräften", wie man heute sagen würde, auch auf dem nebenstehenden Foto abgebildet ist. Vielleicht ist das Bild auch aus Anlass der Eröffnung der Gaststätte entstanden.
| Herr Friedrich Duschek mit Familie und Servierkräften vor dem Lahn-Eck in den 1930er Jahren.
| Die Wände des Lahn-Ecks sind voller Erinnerungen an alte Zeiten. Neu ist lediglich der Tresen, der jedoch vermutlich auch bereits den 1970er Jahren entstammte.
Ein kurzer Blick zum Tresen, eine freundliche Bedienung serviert mir den bestellten Kaffee. Gern darf ich ein paar Fotos für meine Internetseite machen. Im Handumdrehen ist man daraufhin auch im Gespräch mit zwei Stammgästen, die sich aus dem Raucherhäuschen zu Wort meldeten und über alte Zeiten reden. Zeiten, in denen die Karl-Marx-Straße noch eine Fülle altehrwürdiger Traditionsgeschäfte wie etwa Musik-Bading, Koffer-Panneck oder das Floristikfachgeschäft Blumen-Jette besaß.
Mit Sicherheit wird mich mein Weg noch des Öfteren in die Karl-Marx-Straße führen, an deren Ende unter der Bahnbrücke hindurch eine typische Alt-Berliner Kneipe auf mich wartet.
| Die Farbgebung der Wände in braun-beige sind wohl, wie der Tresen, ein Überbleibsel der 1970er Jahre - doch das tut dem Charme des Lahn-Ecks keinen Abbruch.
| Man sieht sie förmlich vor einem stehen: all die Industriearbeiter aus den längst verschwundenen Handwerksbetrieben und Fabriken der Umgebung, die einst hier ihr Bierchen hoben und sich, nicht anders als heute, über die Zeiten, Politik, Ehe, Kinder und all die großen und kleinen Themen des Lebens unterhielten...