Krebse aus dem Tiergarten
Markthalle IX Eisenbahnstraße
Topanker
lecker1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Normalerweise ist Umweltschutz eine zwar wichtige, aber mitunter anstrengende Sache. Man soll auf jenes achten, dieses unterlassen und dergleichen mehr.
Doch es gibt nun ein ganz neues Problem, für dessen Lösung eigentlich nur etwas Experimentierfreude und ein leerer Magen notwendig ist. Eine Problemlösung mithin, der ich mich allzu gern anschließe – natürlich rein aus Umweltgründen, schmunzel...
| Der Stand "25 Teiche" in der Markthalle IX. in der Eisenbahnstraße. An Kundeninteresse an den Tiergarten - Krebsen herrschte kein Mangel...
Ungebeten2
| Die von Matthias Engels als "Berlin Lobster" bezeichneten Louisianer Flusskrebse finden regen Zuspruch.
Still und leise hat das an Wildtieren nicht eben arme Berlin Zuwachs erhalten – den „Roten Amerikanischen Sumpfkrebs“ oder auch "Louisiana – Flusskrebs“. Dieser kam nicht etwa im Gepäck von US – Diplomaten zu uns, sondern wurde vermutlich von Aquarianern heimlich im Tiergarten und im Britzer Garten ausgesetzt.
Ein gedankenloser Akt mit Folgen. Denn der Krebs vermehrt sich rapide – und bedroht als Allesfresser viele heimische Arten. Zudem ist er Träger eines Pilzes, der für hiesige Krebsarten lebensbedrohlich ist.
reduzieren3
Doch wie den inzwischen auf viele tausend Exemplare geschätzten Bestand loswerden? Reines Abfischen ist nur in Grenzen wirksam. Auch das Aussetzen von Aalen, dem natürlichen Feind der Krebse, erwies sich angesichts der schieren Massen an Tieren eher als Tropfen auf dem heißen Stein.
Der mit dem Aufstellen von Reusen im Tiergarten und im Britzer Park beauftragte Fischer Klaus Hidde (63) erinnerte sich jedoch daran, dass die Krebstiere in ihrer Heimat eine begehrte Delikatesse sind. Nachdem auch das Umweltbundesamt festgestellt hatte, dass die Tiere völlig unbelastet von Schadstoffen aller Art sind, wurde diese nun auch hierzulande zum Verzehr freigegeben.
Angeboten werden die Krebse derzeit nur in der alten Kreuzberger Markthalle IX in der Eisenbahnstraße am Stand von Matthias Engels mit dem Namen „25 Teiche“. Das Interesse ist groß, die Medien nutzen den Hype um die Krustentiere dankbar zur Füllung ihres alljährlichen Sommerlochs.
| Essbar sind nur die Schwänze. Viel bleibt also nicht von einem Teller.
Essen4
| Kameramann Tetsunga Baba sowie die Redakteurin Junko Noda vom öffentlich - rechtlichen Fernsehsender NHK. In Japan gibt es neben vielen privaten Sendern nur einen staatlichen Programmkanal. Links, mit Mikro, eine Dolmetscherin.
Meine Partnerin, unser Markus und ich hingegen hatten da als leidenschaftliche Fisch- und Schalentieresser mehr im Sinn, als lediglich die nachrichtenarme Zeit im Sommer zu überbrücken. Gefüllt werden sollte hier etwas ganz anderes- im Dienste des Umweltschutzes natürlich. Dazu hatten wir eigens unsere stärksten Waffen – drei leere Mägen – mitgebracht.
Erwartungsvoll bestellten wir daher die Krustentiere am Stand – und wurden dort dankbar von einem japanischen Fernsehteam begrüßt. Endlich jemand, der gern über seine Erfahrungen mit den Krebsen nach deren Verzehr sprechen möchte. Ich kann an dieser Stelle voll und ganz bestätigen, dass die von Matthias Engels als „Berlin – Lobster“ bezeichneten Krebse echt lecker waren. Sie wurden, so erklärte er mir, zuvor einige Tage zur Reinigung gewässert. Dann werden Sie zusammen mit Sellerie und Kräutern, sowie Lorbeeren und Pfeffer gekocht.
Krebse5
Das „Pulen“, wie man an der Küste sagen würde, ist denkbar einfach. Selbst unser Jüngster hatte den Kniff schnell heraus. Für geübte Scampi – Esser kein Problem. Schwanz abdrehen, Panzer des Schwanzes von unten aufbrechen – fertig. Und der Geschmack? Unnachahmlich. Wir drei waren begeistert.
Nun, gern teilte ich diese Erfahrung auch in einem Interview gegenüber dem japanischen Fernsehen mit. „Lecker Essen für den Umweltschutz“, wie ich unsere Beweggründe erklärte, sind nun auch dort ein Thema.
| Krebse essen - genauso einfach wie das Essen von Scampi.
Ausblick6
| Der Chef von "25 Teiche" und Mitinitiator des Berliner Flusskrebsessens, Matthias Engels, an seinem Stand in der Markthalle IX.
Hoffen wir, dass die Idee von Klaus Hidde und Matthias Engels viele Freunde finden wird. Das Interesse, so stellten wir fest, ist jedenfalls gegeben – denn Neugierige erschienen zu Hauf.
Dabei ist der Ablauf anscheinend immer derselbe: Erst vorsichtig einige Fragen an die Bedienung richtend, dann untereinander diskutierend, ob man es wagen solle – und die Tapfersten bestellen dann ein paar Krebse zum sofortigen Genuss. Bereut hat es jedenfalls bislang niemand.