Historie und Perspektive. Teil 1
Schloß Dahlewitz
Historie und Perspektive
Teil 1
Bebauungsplan DA23
Ein Teil des Bildmaterials des nachfolgenden Artikels fand wegen seiner Qualität auch Eingang in den Bebauungsplan DA23 (Teil 2, Begründung zum Bebauungsplan) der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow zur Bebauung des Geländes des ehemaligen Gutshof Dahlewitz.
Geschichte1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Der genaue Entstehungszeitraum des früheren Rittergutes Dahlewitz ist nicht bekannt. Im Landbuch von 1375 wird jedoch ein Cuno Wederinghen erwähnt, welcher im Besitz von sechs freien Hufen (als sog. "Ritterlehen") gewesen sein soll. In der Kirche von Dahlewitz findet sich ein Stein mit den Wappen derer von Otterstedt, der auf einen 1689 errichteten Gutshof verweist. Der Familie Otterstedt gehörte das Gut Dahlewitz von 1522 - 1785. Zwar stammen die derzeitigen Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert, jedoch steht das Gutsgebäude auf älteren Kellergewölben - ob diese Gewölbe Teil des Gutshofes der Familie Otterstedt waren, ist allerdings unklar.
1785 wurde das Gut von der Familie von Otterstedt an Carl Magnus von Zülow auf Clemzig verkauft. Das Gut gewann erheblich an Wert, da der neue Besitzer hier u. a. eine Ziegelei, eine Brauerei sowie eine Stärkefabrik errichten ließ. Seine Nachfahren jedoch waren in kaufmännischen Belangen weit weniger geschickt - nach dem Konkurs ging das Gut durch viele Hände ehe es 1830 durch den Juristen Samson erworben wurde. Weiteren Besitzer waren 1850 der Berliner Kaufmann Alois Gilka, 1856 der Amtmann Engelhart und 1865 ein Herr von Unruh.
Dem Herren von Unruh folgte 1896 der Berliner Architekt Wilhelm Böckmann (Ende & Böckmann). Dieser ließ das Gut zu einem Musterhof ausbauen. Von ihm stammt u. a. der 1897 errichtete Wasserturm (heute ein Wahrzeichen des Ortsteil Dahlewitz) sowie der dem Brennereigebäude benachbarte Seitenflügel am Hauptgebäude. Dieser Anbau erhielt auf der dem Hof zugewandten Seite einen turmartige Pavillon, der u. a. das Büro des Gutsverwalters beherbergte.
| Schematische Darstellung des Gutshofes. Die dunklen Flächen sind die erhalten gebliebenen Bestandsbauten, die hellen die künftig geplanten, sich hinsichtlich der Grundrisse an den im Krieg zerstörten Gebäuden orientierenden Neubauten.
| Das Wahrzeichen Dahlewitz, der alte Wasserturm, ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst. Längst ist er auch im Inneren baufällig geworden, ein Aufstieg etwa zu den Aussichtsbalkonen nicht mehr möglich. Auch die Turmhaube, 1994 erneuert, entspricht nicht mehr dem mit ovalen Fenstern versehenen Original.
Die Fortschrittlichkeit in der Betriebsführung bestand aber nicht nur in der Errichtung des Wasserturms zur Bewässerung der landwirtschaftlichen Felder sowie zur Versorgung der Brennerei, sondern auch in der Anlage einer elektrischen Gutsbahn mit Anschluss an die Berlin - Dresdner Eisenbahn. Weitere Bauten Böckmanns wie die Brennerei, das sog. Schweizer Haus, eine Stellmacherei und ein Speicher komplettierten den nunmehrigen Vierseitenhof.
Der Zweite Weltkrieg verschonte auch den Dahlewitzer Gutshof nicht. Das Schweizer Hauses wurde ebenso durch Bomben zerstört, wie die links und rechts an den Wasserturm angrenzenden Speichergebäude.
Das Gutshaus selbst überstand den Krieg unbeschadet und wurde kurzzeitig zum Sitz des sowjetischen Verwalters. Im Zusammenhang mit der Umwandlung des Gutes in eine LPG entstand auf dem Gutshof eine Ausleihstation für Traktoren. Im Gutshaus selbst waren nun die Traktoristen untergebracht.
Nach der Wende kam das Gutsgelände in den Pool der Treuhand, die es an einen privaten Eigentümer verkaufte. 1994 wurde von diesem die Dachhaube des Wasserturms rekonstruiert. 2001 kam es zu einem Brand, welcher das Gutshaus stark beschädigte. Fortan sind weite Teile der alten Gebäude ruinös.
Dem Verfall des einstigen Musterguts möchte die Berner Group Real Estate GmbH, ein Berliner Immobiliendienstleister endlich ein Ende setzen. Die ruinösen Gebäude sollen unter Wahrung des Denkmalschutzes wiederhergestellt werden bzw. die im Krieg zerstörte Teilbereiche in moderner, jedoch angepasster Form neu entstehen.
Das es sich bei der Berner Group Berlin um keinen anonymen Investor, sondern um einen Immobiliendienstleister handelt, der sein Projekt und dessen Herausforderungen gern der Öffentlichkeit präsentiert, hiervon konnten sich alle Interessierten am 8. September 2024 im Rahmen des Tages des Offenen Denkmals selbst einen Eindruck machen. Gern stellten Vertrieb und Projektmanagement konkrete Details Ihres Projektes zur Revitalisierung und Wiederaufbau der ehemaligen Gutsgebäude vor.
Die "Berner Group Real Estate GmbH" ist Teil der 1957 von Albert Berner in Künzelsau gegründeten "Berner Group Holding SE & Co. KG". Dem Baden - Württembergischen Künzelsau, noch heute Hauptsitz des auf den Handel mit Befestigungs- und Montagetechnik für das Bau-, Metall- und Kraftfahrzeughandwerk spezialisierten Unternehmens, kam auch in anderer Hinsicht eine große Bedeutung zu.
| Der Berliner Vertriebsleiter der Berner Group Real Estate GmbH, Ronny Heinicke, und seine Frau 2024 an der alten Schmiede des Dahlewitzer Gutshofes.
| Stephanie Gaus, Geschäftsführende Gesellschafterin der Berner Group Real Estate.
Hier wurde Albert Berner am 12. Juli 1935 geboren und hier absolvierte er zusammen mit Reinhold Würth und Gerhard Sturm auch die Schulzeit. Und da in Künzelsau zudem auch die Adolf Würth GmbH & Co. KG, das heute weltgrößte Unternehmen für Befestigungstechnik, ansässig ist und seit der Schulzeit freundschaftliche Beziehungen zu Reinhold Würth bestanden, ließ er sich hier zum Großhandelskaufmann ausbilden.
Mit 300 DM und einem Auto begründete Albert Berner dann sein eigenes Unternehmen, das heute selbst zu den großen auf dem Gebiet der Befestigungstechnik zählt. Albert Berner erhielt für seine Verdienste, wozu auch sein hohes soziales Engagement gehört, zahlreichen hohen Auszeichnungen, darunter das "Verdienstkreuz der Bunderepublik Deutschland am Bande" und die Ernennung zum "Ritter der Ehrenlegion" der Republik Frankreich.
Albert Berner hat sich heute aus dem aktiven Geschäftsbetrieb zurückgezogen. Die Geschicke der nach ihm benannten Gruppe werden jedoch weiterhin von der Familie Berner bestimmt.
Exkurs2
Die von Wilhelm Boeckmann (29.1.1832 - 22.10.1902) und Hermann Ende 1859 begründete, und mit ihrem Ruhestand 1895 aufgelöste Architekten-Sozietät (Ende & Boeckmann) erlangte weltweite Anerkennung. Zu den ausgeführten Bauprojekten gehören Synagogen (Elberfeld und Danzig), zahlreiche Villen im Berliner Tiergartenviertel, verschiedene Bauten des Berliner Zoos, Gebäude der Deutschen Bank sowie das Gebäude des damals bekannten Café Bauer in der Friedrichstraße. 1857 gründete das Büro zusammen mit Peter Jospeh Lenne vor dem Halleschen Tor die Villenkolonie Wilhelmshöhe, wo am Rande des Kreuzbergs einige, z. T. noch erhaltene Bauten entstanden.
Einen besonderen Auftrag erhielten Wilhelm Böckmann aus Japan, wo man ihn ab 1886 bereits mit der Entwicklung eines neuzeitlichen Bebauungsplanes für das Tokioer Regierungsviertel beauftragt hatte. Hier entwarf und erbaute er das Justizministerium (1895) und das Gebäude des Obersten Gerichtshofs sowie ein temporäres Gebäude aus Holz für das japanische Parlament. Das eigentliche Parlamentsgebäude, für das Ende & Böckmann ebenfalls einen Entwurf eingereicht hatten, kam leider wegen stilistischer Differenzen und den als zu teuer empfundenen Kosten nicht zur Ausführung.
| Ende & Böckmann. Entwurf des (leicht verändert ausgeführten) Tokioer Justizpalastes. Quelle: Architektursammlung der TU Berlin.
Eisenbahn3
| Die von Siemens & Halske fabrikneu erworbene Akkumulatorenlokomotive mit zwei der Domäne ("Dominium") -gehörenden Güterwagen. Quelle: Elektrotechnische Zeitschrift vom 5.7.1900.
Boeckmann erwarb 1896 das bequem über die Dresdner Bahn von Berlin aus erreichbare ehemalige Rittergut in Dahlewitz und wandelte diesen in ein Mustergut nach dem neuesten Stand der Erkenntnisse in Landwirtschaft, Technik und Architektur um. Ihm verdankt der Gutshof seine heutige Gestalt (wenn auch der Krieg und der Brand von 2001 schwere Schäden hinterließen) einschließlich des Wahrzeichens von Dahlewitz: dem Wasserturm.
Zu dem Bestreben Böckmanns, ein Mustergut zu schaffen, gehörte auch der Bau einer elektrisch betriebenen Güterbahn. 1898 nahm Wilhelm Boeckmann die eigleisige, rund 2,5 km lange Güterbahn in Betrieb, um so landwirtschaftliche Erzeugnisse wie auch die seiner Produkte Brennerei besser zum Bahnhof Dahlwitz (ab 1905 Dahlewitz) der Dresdner Bahn transportieren zu können. Über die hier bestehende Weichenverbindung war auch eine direkte Überstellung von Güterwagen möglich. Verwendung fand zunächst eine von Siemens & Halske fabrikneu erworbene und am 10.12.1898 auch gelieferte Akkumulatorenlokomotive mit einer Leistung von "15 PS mit 550 Volt".
Da der Akkumulatorenbetrieb sich nicht bewährte, rüstete die Fa. Siemens die Strecke mit einer Oberleitung aus und lieferte im Winter 1903/04 auch die zu einer Oberleitungslok umgebaute ehemalige Akkumulatorenlokomotive an die Domäne. Zum Domänen ("Dominium") - Betrieb gehörten auch zwei eigene, geschlossene Güterwagen. Der Betrieb bestand bis zum Kriegsende. Der weitere Verbleib der Anlagen und der Lok ist unklar. Vermutlich wurde die Lok als Reparationsleistung abtransportiert.
| Der Berliner Architekt Wilhelm Boeckmann 1832-1902). Böckmann gründete 1866/1867 zusammen mit Kollegen die "Deutsche Bauzeitung", eine bis heute bestehenden Fachzeitschrift. Bereits seit seinem Studium dem Architektenverein zu Berlin (AIV) angehörig, wurde er ab 1869 zum Vorsitzenden des Vereins berufen, dessen Gebäude in der Wilhelmstraße er auch 1875-76 errichtet hatte. Ab 1902 war Böckmann Ehrenmitglied des AIV.
| Die Strecke der Anschlussbahn des Gutshofes. Der Gutshof befindet sich auf der Karte rechts. Von hier führt das Gleis zum Bahnhof Dahlewitz, wo eine Weichenverbindung bestand. Das Gleis verlief ein kurzes Stück in nördlicher Richtung mit der Dresdner Bahn parallel, da man hier ein eigenes Gleichrichterwerk (etwa an Stelle des heutigen Gemeindezentrums Dahlewitz) errichtet hatte.
| Blick über den Zaun der einstigen Einfahrt zum Schuppen für die Elektrolokomotive und des Abstellplatzes der Güterwaggons.
| Ehemalige Einfahrt zum Lokschuppen an der von Böckmann errichteten Brennerei des Gutshofes.
| Blick auf die ehemalige Einfahrt zum Lokschuppen (ganz links mit grünem Tor), der Brennerei (mitte) und dem Herrenhaus-Anbau (rechts).
| Das wohl letzte erhalten gebliebene Stück Gleis der ehem. Feldbahn, die parallel zur elektrischen Vollspurbahn existierte. Die Weiche befindet sich auf dem Hof des Gutshofs und führte einst zu den zwischen der Schmiede und dem Waschhaus liegenden überdachten Lagerplatz.
Ansichten4
Es ist natürlich gerade im Vergleich zu den folgenden aktuellen Aufnahmen interessant zu wissen, wie der Gutshof vor dem Krieg und dem Brand im Jahre 2001 ausgesehen hat.
Die Aufnahmen, deren Quelle bislang unbekannt sind, stellte mit freundlicher Weise der Herr Boksch, Vorsitzender des Vereins "Historisches Dorf Dahlewitz e. V." zur Verfügung.
Die schlechte Qualität des vom "Verein historisches Dorf Dahlewitz e. V. zur Verfügung gestellten Bildmaterials bitte ich zu entschuldigen.