Feuerwache Urban
Wilmsstraße
Topanker
Planung1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Ab 1875 wurde die Berliner Feuerwehr einer umfassenden Reform unterzogen, die auch den Bau von neuen Feuerwehrwachen beinhaltete. Eine davon sollte in der Nähe der einstigen Straße "Am Urban" in Verlängerung der heutigen Fontanepromenade angesiedelt werden. Doch der Staat scheute, trotz bereits im Etat von 1886 eingeplanter 5000 Goldmark, die finanziellen Mittel, so dass der Bau der Wache "Urban" lange auf sich warten ließ.
So bedurfte es erst eines verhängnisvollen Brandes im Jahre 1896 in der Kreuzberger Friesenstraße, damit es endlich zur Ausführung der dringend benötigten Wache kam. Die Anfahrwege aus der Linienstraße bis ins heutige Kreuzberg waren einfach zu weit, zudem war der Radius, bis zu dem Einsätze der jeweiligen Wache überhaupt ausgeführt wurden, auf 1500 m begrenzt. 1897 wurde die Wache, welche den Namen "Urban" nach dem ursprünglich geplanten Standort erhielt, in der Wilmsstraße fertiggestellt.
| Das straßenseitige Wohn- und Wachgebäude. Die Mannschaften, Pferde und Gerätschaften hingegen waren im rückwärtigen Gebäude untergebracht. In diesem standen später auch die damals neuen "Automobile".
Bau2
| Grundrissplan der Wache "Urban" in der Wilmsstraße. Im hinteren teil des Grundstücks befindet sich das Stall- und Wohngebäude, vorne rechts das Wachgebäude mit den Wohnungen des Brandmeisters und der Oberfeuerwehrleute. Links liegt das zusammen mit der Wache errichtete Straßenreinigungsdepot.
Das von Baurat Haak geplante Gebäude war wegweisend, da sich hier erstmals Mannschaften, Wagen, Geräte und Pferde unter einem Dach befanden. Das Stall - Wagenhaus war auf dem hinteren Teil des 2615 qm großen Grundstücks errichtet worden. Hier befanden sich die vier für Alarmeinsätze bereitgehaltenen Wagen, deren zugehörigen Pferde rechts und links neben den Deichseln in offenen Boxen untergebracht waren.
Bei Alarm traten die Mannschaften aus den benachbarten, gleichfalls im Erdgeschoß liegenden drei Schlafsälen in die Stallungen, so das die Gespanne innerhalb von 35 bis 38 Sekunden einsatzbereit waren. Ebenso kurz waren die Wege aus den im 1. OG befindlichen Wohnräumen, von denen die Ställe über direkte Treppenzugänge erreicht werden konnten. Das bislang übliche umständliches Bespannen der Wagen im offenem Hof bei Wind und Wetter entfiel mit diesem neuen Gebäudetypus erstmals.
Unmittelbar an der Straße war hingegen das Wach- und Wohngebäude angeordnet. Während sich im Erdgeschoß die Wachstube und der Telegrafenraum befand, lag im 1. OG die Wohnung des Brandmeisters sowie im 2. OG die Wohnungen der Oberfeuerwehrleute. Alle Gebäude der Wache, zu denen auch ein rund 22 m hoher Steigeturm gehörte, waren mit roten Ziegelsteinen verblendet.
Ebenfalls auf dem Grundstück befand sich das Depot der Straßenreinigung, welches gleichfalls mit Pferdeställen und Mannschaftsräumen ausgestattet war. An Baukosten wurden für die gesamte Anlage 241000 Goldmark aufgewendet.
Umbauten3
Wie notwendig das neue Wachgebäude war, zeigte sich schnell. Die Löschtrupps der Wache waren bei vielen Unglücksfällen dabei, so auch beim schweren Hochbahnunfall am 26. Oktober 1908, bei dem ein Zug am Gleisdreieck einen weiteren seitlich rammte und dabei einen Waggon von den Gleisen des Viaduktes stieß.
1910 errichtete man auf dem Grundstück ein neues Kletterhaus, denn auch die Anforderungen an die Ausbildung der Feuerwehrkräfte unterlagen einem steten Wandel. 1912 wurden in der Wache Urban erstmals größere Umbauten durchgeführt. Diese waren notwendig geworden, um die neu beschafften „Elektromobile“ aufnehmen zu können. 1921 erhielt die Wache erstmals benzinbetriebene Fahrzeuge, die ein Jahr später ihre erste große Bewährungsprobe beim Brand der Tempelhofer Sarotti- Schokoladenfabrik zu bestehen hatten - aber erst nachdem die ehemaligen "Umland" - Feuerwehren" aus Tempelhof, Schöneberg und Mariendorf vergeblich versucht hatten, der Katastrophe herr zu werden. Es herrschte noch immer das alte Rivalitätsdenken zwischen "Berlin" und den erst 1920 eingemeindeten ehemaligen Umlandgemeinden des Kreises Teltow.
Um den Anforderungen wenigstens halbwegs gerecht zu werden, die der Zweite Weltkrieg an die Feuerwehren stellte, vielleicht aber auch als Folge der auch an der Wache Urban zu verzeichnenden schweren Kriegsschäden, rüstete man 1944 das auf dem Grundstück befindliche Depot der Stadtreinigung für die Zwecke der Feuerwehr um.
| Der Großbrand in der Sarotti - Schokoladenfabrik in der Tempelhofer Teilestraße am 22. Januar 1922 offenbarte gravierende organisatorischen Mängel: So wurden die Fahrzeuge und Mannschaften der Wache "Urban" erst nach dem Scheitern der Feuerwehren Tempelhof, Schöneberg und Mariendorf nachgeordert. Es herrschte, nur zwei Jahre nach der Eingemeindung von Teilen des Kreises Teltow nach Berlin (wie z. B. Tempelhof), noch immer das alte "Rivalitätsdenken" zwischen den ehem. Landgemeinden und Berlin.
Neubau4
| Das heutige Wachgebäude von 1974. Nichts erinnert mehr an das frühere Gebäude. Dabei stellt die Wache als Vertreter des sog. "Brutalismus" (franz. Beton brut = Sichtbeton) mit ihren roh belassenen Sichtbetonflächen selbst ein architektonisches Zeitzeugnis dar.
Den Zweiten Weltkrieg überstanden die Gebäude der Feuerwache Urban, wenn auch mit schweren Schäden, immerhin weitestgehend. Nach eher provisorischen Reparaturen wurde die Wache 1952 - 1955 einer dreijährigen Sanierung unterzogen, die auch den Einbau neuer Stahltore umfasste.
Doch 1973 kam auf Grund des technischen Fortschritts vor allem in der Fahrzeugtechnik das Ende für die alten Wachgebäude. Im Zusammenhang mit einem Neubauprogramm des Senats zur Modernisierung aller Berliner Feuerwachen entstand bis zum 9. Juli 1975 in zwei Bauabschnitten das heutige Gebäude der Wache "Urban". Leider wurden dabei, um Baufreiheit auf dem relativ engen Grundstück zu erhalten, die alten Wachgebäude abgebrochen. Es entstand durch das Architekturbüro Mette & Hoffmann straßenseitig ein 4-geschossiger Stahlbetonbau aus vorgefertigten Betonteilen, dem sich auf dem Hof eine weitere Wagenhalle sowie der gleichfalls 4-geschossige Übungsturm anschließt. Die Kosten beliefen sich auf rund 4,5 Millionen DM.
Die Wache Urban ist mit der abgerundeten, in rot gehaltenen Kanzel des Wachraums, den roten umlaufenden Fensterbändern mit braunen Zwischenflächen sowie vor allem den großen Sichtbetonflächen in ihrer stilistischen Ausführung ein typischer Vertreter des sog. Brutalismus (franz. Beton brut= Sichtbeton) der 1970er Jahre. Sie sollte in dieser Stilistik auch erhalten werden und nicht, wie andere Beispiele dieser Architekturrichtung (siehe U-Bahnhof Schloßstraße) durch massive Umbauten zu einem Ausdruck der Beliebigkeit werden.
Die Wache "Urban" gehört heute trotz ihres relativ kleinen Ausrückbereichs mit ca. 1300 Alarmen pro Monat und über 150000 Einsätzen pro Jahr zu den sog. "Klingelwachen" (mit mehr als 1000 Alarmmeldungen pro Monat). 105 Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr sind daher hier dauerhaft stationiert. Hinzu kommen die Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr, die mit einem LF 16/22 vertreten ist. Auf Grund der hohen Belastung der Wache Urban wurde in den Jahren 2010 - 2012 eine umfassende Sanierung des während dieser Zeit für Einsatzzwecke nicht mehr zur Verfügung stehenden Gebäudes notwendig.
Heute deutet nichts mehr auf die lange Geschichte jener einst technisch revolutionären Wache hin, in der erstmals Mannschaften, Wagen und Pferde unter einem Dach beherbergt wurden. Die ist inzwischen längst Alltag auf jeder modernen Wache. Kein Anspannen mehr von Pferden und Wagen unter freien Himmel bei Schnee, Regen und Kälte. Aber auch, Hand aufs Herz, keine romantisch anmutenden Gebäude mehr, wie sie die alte Wache Urban einst besaß und wie ich sie als Schüler der in der gleichen Straße befindlichen "Bürgermeister-Herz-Grundschule" noch kennenlernen durfte...
| Blick auf die Kanzel der Leitstelle der neuen Wache. Typisch für Bauten der 1970er - Jahre sind die abgerundeten, massiven Formen. Man vergleiche hierzu auch die an der Urbanstraße gelegene "Carl-von-Ossietzky-Oberschule".