Geschichte eines Gaststättengebäudes
Der Umsteiger Yorckstraße
Geschichte eines Gaststättengebäudes
Teil 1
Vorgeschichte1
1 | Vorgeschichte. Das Lokal "Zum Umsteiger"
Bild und Text: Lutz Röhrig
An einem kühlen Februartag im Jahr 2016 war es soweit. Mein Dienst endete und ich ging zielgerichtet in Richtung Yorckstraße. Endlich wollte ich einmal dem dortigen, längst zu einer "Kultkneipe" gewordenen Lokal „Zum Umsteiger“ einen Besuch abstatten. Es sollte, was ich damals nicht wissen konnte, hierfür höchste Zeit werden, denn bald würde dies nicht mehr möglich sein...
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Meine Kamera hatte ich dabei und so trat ich kurzentschlossen ein, bestellte ein Bier und fragte dabei die Bedienung, ob ich denn hier ein paar Fotos machen könne. "Ja, kein Problem. Ich schicke Ihnen aber noch meinen Mann, der kann Ihnen etwas über die Kneipe erzählen". Die Dame ging zu einem runden Tisch am Fenster, an dem ein weißgelockter Herr inmitten von ein paar Gästen saß. "Ick komme meine Holde", hörte ich da nur von weitem. Und tatsächlich, ein überaus gut gelaunter Wirt kam an meinem Tisch, stellte sich mit „Hans-Werner Sens“ vor und begann anhand von ein paar alten, schnell hervorgekramten Bauplänen die Geschichte des Gebäudes zu erzählen. "Der erste Eigentümer", so der Wirt, "wäre ein Herr Louis Grandjean gewesen"...
| Als Berlins Kult - Kneipe "Zum Umsteiger" noch verheißungsvoll jedem potentiellen Gast seine Tür mit der Speisekarte entgegen hielt. "Wat weg muss": Eisbein für 6 Euro, Schmalzstullen für 2 Euro - auch, lang is et her... Der rote Pfeil an senkrechter Linie rechts deutet es bereits an: Abriss bis hier...
| Ein Blick in den Umsteiger am Tag meines Besuches. Am Tisch im Hintergrund links an der Wand mit blauem Pullover Hans-Werner Sens. rechts an der Tür mit roter Strickjacke: Die "Holde", Hans-Werners Ehefrau Manuela Sens. Man erkennt an den verzierten Ecken am Büffet an der Wand (auf dem die Gläser stehen), dass dieses noch aus der Eröffnungszeit des Lokals 1905 stammt.
"Aus dieser Zeit stamme noch", so Herr Sens, "die an die gebogene Wand der Wendeltreppe angepasste Sitzbank, die damals den Namen Verlobungs-Bänkchen erhalten habe und das Büfett hinter dem Tresen", an dem seine Ehefrau Manuela, von ihm meist „seine Holde“ genannt, gerade stehen würde und die mich auch bedient hatte. Gesprochen wurde darüber wie er einst, an der Ampel wartend, den Gedanken gefasst habe, seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ad acta zu legen. „Irgendwann“, so Sens, "käme bei jedem der Punkt, an dem er sich fragen würde, wie lange er seinen Job noch machen wolle und ob es da nicht noch etwas anderes gäbe…".
Eine Gans, die ihm Karl - Heinz Mühlenhaupt - von ihm nur „Kalle“ genannt – schuldete, gab den letzten Anstoß. Mit Mühlenhaupt, dem Generalpächter des Umsteigers und der beiden benachbarten Ladengeschäfte (einem Trödelladen und einem Imbiss) war er schon seit langem befreundet. Ein Telefonat mit ihm und die zufällige Klage Mühlenhaupts, das gerade der Wirt des Umsteigers gekündigt habe, führte dazu, dass Herr Sens im Jahre 2004 neuer Pächter des Lokals „Zum Umsteiger“ werden sollte. Herr Sens machte seine Sache gut, die Kneipe blühte und gedieh. Sein Ruhestand 2017 und der Verkauf der Kneipe an zwei junge Herren jedoch erwiesen sich für die Gaststätte als fatal. Der Umsteiger schloss 2018 für immer seine Türen.
In der Zwischenzeit war hinter dem Gebäude des Umsteigers entlang der Bautzener Straße das 2 ha große Wohnquartier "neu-Schöneberg" mit rund 300 Mietwohnungen, einem Fitnessstudio und Supermarkt sowie kleineren Geschäfte entstanden. Die Bahn hatte 2010 das alte, nur von wenigen Schuppen und einigen Gleisresten durchzogene Grundstück, zu dem auch der "Umsteiger" gehörte, verkauft. Vom neuen Eigentümer waren daraufhin Herrn Mühlenhaupt die Pachtverträge gekündigt worden.
Das Gebäudes des Umsteigers wird heute von dem die Wohnanlage an der Bautzener Straße zur Yorckstraße abschließenden Gewerbekomplex und dem darin befindlichen Fitnesszentrum eingerahmt, dass alte Haus wirkt seither etwas verloren. Wünschenswert wäre es daher, wenn der dem Gebäude des ehem. Umsteigers benachbarte Bahnhof Yorckstraße (S2) seine alte Fassade samt Dach zurückerhielte. So würde das kleine Restaurantgebäude, das seit 2013 unter Denkmalschutz steht, optisch aufgefangen und wieder, wie im Jahre 1905, Teil eines im Stil der Märkischen Backsteingotik gehaltenen Ensembles werden.
Die Geschichte des Ortes liegt jedenfalls dem auch für die Wohnanlage an der Bautzener Straße verantwortlichen Projektentwickler "HamburgTeam" sehr am Herzen. 2024 wurde ich auf Grund meines Artikels „Gebt dem Bahnhof sein Dach zurück“ mit der Einsichtnahme der Bauakten wie auch der Darstellung der Historie des ehem. Restaurantgebäudes beauftragt. Ob auch die Bahn dieser eigentlich an sie gerichteten Intention des Artikels folgt? Wenn man sich etwas wünschen darf…
| Das perfekt an die gebogene Wand angepasste "Verlobungs-Bänkchen" gehört neben dem Buffet ebenfalls zu den wenigen Einrichtungsgegenständen, die noch aus der Zeit der Eröffnung des Restaurantgebäudes im Jahre 1905 stammen.
| Die Ecke neben der Theke war so etwas wie das Büro von Herrn Sens. Beeindruckend die Deko an den Wänden, die gemäß dem Namen des Lokals und seiner Lage dem Berliner Verkehr gewidmet ist.
| Wer möchte da nicht sofort ein Bierchen bestellen... Links eines der beiden Fenster zur Yorckstraße.
| Die "Holde" in ihrem Revier, der Theke. Nicht nur Stammgäste fühlten sich im "Umsteiger" und dessen urigen Charme wohl.
Einleitung2
| Unmittelbar neben der Außenwand des Restaurantgebäude führte eine Treppe von der Yorckstraße hinauf auf das Niveau des Bahndamms. So konnten die damals sich hier befindenden Speditionsgebäude und das alte Contorgebäude (gelbes Gebäude in Bildmitte) direkt von der Yorckstraße aus erreicht werden. Das Contorgebäude wurde zum Zeitpunkt der Aufnahme (2015) noch vom Generalpächter Karl - Heinz Mühlenhaupt bewohnt. Rechts die bereits rekonstruierte, jedoch noch auf ihren alten Widerlagern liegende Brücke der Dresdner Bahn. Sie ist die älteste noch erhaltene des gesamten Brückenensembles.
2 | Einleitung. Ein Gebäude wie aus einem Fantasy-Film
Wer heute die Yorckstraße entlanggeht oder fährt, der stößt inmitten einer langen Reihe von teils historischen, teils modernen Eisenbahnbrücken auf ein altes, durch seine Ziegelsteinarchitektur geradezu malerisch wirkendes Gebäude, dessen winziger Grundriss und Zierlichkeit einen irgendwie an Fantasy-Filme à la Harry Potter denken lassen. Die mit leicht geöffneten sichelförmigen Schwingen auf den Konsolen links und rechts des spitzen Dachgiebels sitzenden beiden Adler tragen das ihrige zu diesem Eindruck bei.
Doch warum errichtete 1905 der Wilmersdorfer Gastwirt Louis Grandjean ausgerechnet hier inmitten der damals noch 45 Eisenbahnbrücken ein Restaurantgebäude, das zudem in der für ein Privatgebäude der Jahrhundertwende doch eher untypischen Stilistik der Märkischen Backsteingotik gehalten war? Beide Fragen lassen sich nur im Kontext mit der Geschichte des Ortes beantworten.
Die nachfolgenden Kapitel beschäftigen sich daher mit die Historie des Ortes, der Stilistik der entlang der Yorckstraße von der Bahn errichteten Gebäude sowie dem Architekturbüros Klitscher & Afdring und dessen Oeuvre.
Lage3
3 | Lage. Die Geschichte des Ortes
Möchte man den Entschluss des in Wilmersdorf lebenden Gastwirtes Louis Grandjean verstehen, ausgerechnet hier, inmitten der Eisenbahnbrücken ein Gasthaus zu errichten, so muss man, wie immer bei zeithistorischen Projekten, einen Blick auf die damalige Situation des Standortes tun.
Wer sich heute im Bereich der Yorckbrücken umschaut, der kann sich angesichts der auf einem Hochplateau liegenden Grünanlagen und der mittlerweile im Umfeld entstandenen Wohnanlagen kaum mehr die frühere Geschäftigkeit vorstellen, die hier angesichts der vielen, einst für den Güter- und Personenverkehr der Bahn errichteten Anlagen herrschte - eine Geschäftigkeit, die noch durch die diversen, am Rande des Bahngeländes ansässigen Speditionen und Baufirmen mit ihren Lagerplätzen und Bürogebäuden verstärkt wurde. Doch was war eigentlich die Ursache dieser Ballung von Bah- und Gewerbeanlagen ausgerechnet hier, weitab vom damaligen Berliner Stadtzentrum?
| Blick durch einen Teil der Yorckbrücken in Richtung Kreuzberg. Vor einiger Zeit wurden einige der Brücken restauriert. Hierzu zählt auch die vorn zu Sehende, während die Hintere noch einer Überarbeitung bedarf. Das gesamte Ensemble der Yorckbrücken steht auf Grund seiner eisenbahngeschichtlichen Bedeutung unter Denkmalschutz.
| Lennés Bebauungsplan für die Tempelhofer und Schöneberger Feldmark, ca. 1857. Der Plan ist gesüdet, das Berliner Stadtgebiet liegt am unteren Rand. Links unten der "Belle - Alliance - Platz (heute Mehringplatz) vor dem "Halleschen Tor". Der Landwehrgraben, für dessen Ausbau zum schiffbaren Kanal Lenné ebenfalls zuständig war, bildet hier die Grenze der damaligen Bebauung. Mit "Bassin" ist der spätere Schöneberger Hafen bezeichnet. Der von Lenné geplante Prachtboulevard verläuft hier noch gradlinig von links nach rechts. In seiner Mitte liegt der achteckige "Wahlstattplatz".
Da die nördlich des Landwehrkanals gelegenen Bahnhofsgebäude der Potsdamer (errichtet 1838) und der Anhalter Eisenbahn (errichtet 1841), die zu den ältesten und am stärksten frequentierten Bahnhöfen Berlins gehörten, auf verhältnismäßig kleinen, zwischen der damaligen Zoll- und Akzisemauer vor den Toren Berlins und dem Landwehrgraben (1845-50 durch Peter Joseph Lenné zum schiffbaren Kanal ausgebaut) gelegenen Grundstücken errichtet worden waren, blieb dort nur wenig Platz für eine im Laufe der Jahre durch den zunehmenden Verkehr notwendig gewordene Erweiterung jener für einen Bahnbetrieb notwendigen Nebenanlagen wie Betriebswerkstätten, Abstellgleisen, Lokschuppen und den längst notwendig gewordenen eigenständigen Güterbahnhöfen. Diese neuen Anlagen mussten daher südlich des Landwehrkanals errichtet werden.
Diese sich angesichts des stetig wachsenden Beförderungsaufkommens und der zunehmend komplexer werdenden Technik immer weiter in südliche Richtung ausdehnenden Betriebsbereiche sorgten schließlich dafür, dass die ursprünglichen städtebaulichen Planungen des Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lennés und später auch des Berliner Stadtbaurates James Hobrecht in diversen Verhandlungen mit den einflussreichen Bahngesellschaften immer wieder korrigiert werden mussten.
Der von Lenné als gradlinigen Prachtboulevard geplante sog. "Generalszug", welcher die Straßenzüge der Gneisenaustraße, Yor(c)kstraße, Blücherstraße, den Wahlstattplatz und die Bülowstraße, den Nollendorfplatz und die Kleist- und Tauentzienstraße umfasste - erhielt daher im Bereich der Bahnanlagen jenen bis heute typischen trapezförmigen "Knick", um der Eisenbahn hier mehr Raum zu verschaffen.
Die als dritte Eisenbahngesellschaft nun zu den übrigen hinzutretende Berlin - Dresdner- Eisenbahngesellschaft, deren Anlagen zwischen denen der Anhalter
und Potsdamer Eisenbahn entstanden, sorgte dann auch noch für den Wegfall des durch Lenné an der Yorckstraße vorgesehenen Wahlstattplatzes (Blücher war Fürst von Wahlstatt). Die Idee Lennés, den Generalszug zu einem Prachtboulevard auszubauen, war damit zumindest im Bereich der Bahnanlagen gescheitert.
Die Verstaatlichung der Eisenbahnlinien, die zum 1. Oktober 1877 mit der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Berlin - Dresdner - Eisenbahngesellschaft begann, ermöglichte dann endlich auch die Höherlegung der bis dahin noch im Straßenniveau verlaufenden Gleisanlagen südlich des Landwehrkanals und der hier errichteten großen Güterbahnhöfen. Die nördlich des Kanals befindlichen Personenbahnhöfe waren schon durch die Gesellschaften selbst beim Neubau ihrer Bahnhöfe (Potsdamer Bahnhof 1869 bis 1872, Anhalter Bahnhof 1874 - 1880. Der Bahnhof der Dresdner Bahn wurde hingegen - bis auf ein Provisorium während des Streckenbaus - nie realisiert) entsprechend angepasst worden, wodurch auch die den Betrieb hinderlichen Drehbrücken im Landwehrkanal - die Pfeiler befanden sich mittig in der Schifffahrtsrinne - entfallen konnten. Die letzte dieser drei Drehbrücken, die der Berlin - Potsdamer - Bahn, bestand allerdings wegen ihres am Kanal liegenden Lokschuppens und dem Gleis zum Schöneberger Hafen noch bis 1888.
Die Yorckstraße geriet durch die Höherlegung des sie umgebenden Bahngeländes und den notwendigen, das Terrain absichernden Klinkermauern, die zugleich der Aufnahme der Wiederlage der die Straße querenden Brücken dienten, in eine Art Tunnellage, unterbrochen nur von den Freiräumen zwischen den Anlagen der einzelnen Bahngesellschaften.
| Lennés Bebauungsplan für die Tempelhofer und Schöneberger Feldmark, um 1858/59. Das Berliner Stadtgebiet befindet sich links. Lennés Prachtboulevard ist hier schon auf Grund der Bahnanlagen im mittleren Teil ein ganzes Stück nach Süden verschoben. Doch auch diese Planung sollte im weiteren Verlauf nicht zur Ausführung kommen. So entfiel beispielsweise der zwischen den Bahnanlagen verlaufende Stichkanal.
| Situationsplan des Potsdam, Anhalter und Dresdner Bahnhofs, Berlin und seine Bauten 1877. Auch dieser Plan zeigt noch nicht in allen Teilen den tatsächlichen Zustand. Die etwa in Bildmitte senkrecht von oben nach unten verlaufende heutige Yorckstraße (bis 1909 noch "Yorkstraße", wobei der im Bereich der Bahnanlagen verlaufende Teil bis 1885 als "Blücherstraße" bezeichnet wird) wird von einer Vielzahl an Gleisen durchzogen. Zwischen den neu errichteten Bahnhöfen der Potsdamer (unten links) und Anhalter Bahn (links oben) liegt der Schöneberger Hafen. Nicht ganz der tatsächlichen Ausführung entspricht das im Bogen vom Hochplateau des Anhalter Bahnhofs zum Hafen hin abfallende Anschlussgleis, das aus Platzgründen statt der Führung in einem weitläufigen Bogen eine Fahrstuhlanlage für Güterwagen erhielt.
Der stetig steigende Personenverkehr auch aus den rasant wachsenden Vororten führte bald dazu, dass die bisherigen Strecken durch die Anlage separater Vorortgleise erweitert werden mussten - was den Bau weiterer Brücken über die Yorckstraße erforderte. Mit der Errichtung der sog. "Südring-Spitzkehre" zum Potsdamer Bahnhof wurde zudem ein Anschluss an die alle Bahnhöfe miteinander verbindende Ringbahn geschaffen. Auch die Gleise der "Spitzkehre" mussten die Yorckstraße über eigene Brücken queren. Am Ende waren es 45 Brücken, die nun die Yorckstraße querten.
Zugleich mit der notwendig gewordenen Trennung des Fern- vom Vorortverkehr entstanden im Umkreis der Yorckstraße die bald stark frequentierten Vorortbahnhöfe "Großgörschenstraße" (1. Oktober 1891) an der Wannseebahn (mit einem Verbindungsgang zum Bahnhof "Schöneberg" und damit zur Ringbahn) und "Yor(c)kstraße" für den Vorortverkehr der Anhalter und Dresdner Bahn (1. Mai 1903).
Für den Bau und den Betrieb eines Restaurants ergab sich damit zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Yorckstraße ein perfektes Umfeld. Denn der Umsteigeverkehr zwischen den beiden Vorortbahnhöfen, der Straßenbahn oder dem Bus, sowie all die vielen Bahnarbeiter der benachbarten Güterbahnhöfe, der Wagen- und Lokbehandlungsanlagen, Stellwerke und des geplanten Zollpackhofes sowie die zahlreichen, sich an den Randbereichen der Bahnanlagen ansiedelnden Baustoffbetriebe und Fuhrwerksunternehmen ließen ein hohes Aufkommen an potentiellen Gästen erwarten, das nur noch eines entschlossenen Wirtes bedurfte, der unbedingt hier ein Lokal errichten wollte.
Ein Mitte der 1920er Jahre entstandenes Foto verdeutlicht, wie umfangreich die Bahnanlagen an der Yorckstraße einmal waren. Man kann anhand des Bildes nur erahnen, wie viele Angestellte und Arbeiter hier einst auf dem Gelände ihren Dienst versahen. Die künftige Lage des Restaurantgebäudes inmitten dieses Umfeldes versprach daher eine gute wirtschaftliche Basis.
Die zum Zeitpunkt des beabsichtigten Baus des Restaurantgebäudes bereits hier vorhandenen beiden Vorortbahnhöfe der Dresdner, Anhalter und der Wannseebahn und der gerade in Planung begriffene Zollpackhof an der Ecke zur Möckernstraße sorgten jedoch nicht nur für entsprechend hohe finanzielle Erwartungen des Pächters des Gaststättengebäudes, sondern gaben mit ihrer Architektur auch eine nicht nur (man vergleiche die Architektur des Potsdamer oder gar des Anhalter Bahnhofs, der mit seiner erstmals auch an der Fassade ablesbaren, die Rundung der Halle aufnehmenden Architektur geradezu ultramodern war) für die Zeit des Jugendstils ungewöhnliche, eher in die Vergangenheit weisende Stilistik vor, der sich auch das geplante Restaurantgebäude anzupassen hatte. Daher sei hier kurz auf diese Bauten der Bahn eingegangen.
| Reichsbahnkalender, ca. 1925. Die etwa in Bildmitte verlaufende Yorckstraße ist aus auf Grund der vielen über sie hinwegführenden Brücken kaum zu erkennen. Im Hintergrund ist die gewaltige Bogenhalle des Anhalter Bahnhofs zu erkennen, davor der diesseits des Landwehrkanals liegende Anhalter Güterbahnhof. Links davon das Bahnbetriebswerk des Anhalter Bahnhofs, das heute Teil des Museums für Verkehr und Technik ist. Links außerhalb des Fotos befände sich der Bahnhofs Yorckstraße.
| Ein Teil der alten Yorckbrücken wurde denkmalgerecht restauriert und erhielten mit der Nutzung als Fußgängerüberweg zwischen dem "Park am Gleisdreieck" (Richtung Landwehrkanal) und dem "Dora - Duncker - Park" (Richtung Bahnhof Südkreuz) eine neue Zweckbestimmung.
| Jede Brücke vermag eine eigene Geschichte zu erzählen. Der Kenner sieht schon an der Säulenform, aus welchem Jahr und von welcher Bahngesellschaft sie stammt.
Bahnbauten4
| Fassadenriss des alten Bahnhofs Großgörschenstraße von 1891.
4 | Bauten der Bahn im Bereich Yorckstraße
Bahnhof Großgörschenstraße
Erstes Gebäude in der damals insbesondere für den preußischen Bahnhofsbau maßgeblichen Stilrichtung der Märkischen Backsteingotik war im Bereich der Yorckbrücken der am 1. Oktober 1891 eröffnete Bahnhof Großgörschenstraße. Dieser befand sich, anders als der heutige Bahnhof „Yorckstraße (Großgörschenstraße)“ von 1939, ca. eine Bahnsteiglänge weiter südlich an der namensgebenden Großgörschenstraße.
Einen Tag vor der Eröffnung des 1939 im Zusammenhang mit dem Bau des Nord-Süd-S-Bahntunnels errichteten neuen, nun direkt an der Yorckstraße liegenden Bahnhofs „Großgörschenstraße (Yorckstraße)“ wurde der alte Bahnhof Großgörschenstraße am 8. Oktober 1939 geschlossen und später abgebrochen.
Zollpackhof der Anhalter Bahn
Kurz nach Fertigstellung des Restaurantgebäudes begann man 1905 mit dem Bau des gleichfalls im Stil der Märkischen Backsteingotik gehaltenen Zollpackhof der Anhalter Bahn an der Ecke Möckern- und Yorckstraße, welcher 1907 seiner Bestimmung übergeben werden konnte.
Das riesige, im Krieg schwer beschädigte Gebäude war gewissermaßen das östliche Entree zu den rund 45 Eisenbahnbrücken, welche die Yorckstraße damals querten. Das 2023 zu Gunsten von Wohnungsbauten abgerissene Gebäude wurde auf zeit-fuer-berlin.de ausführlich dokumentiert.
| Fassadenriss des Zollpackhofs der Anhalter Bahn.
| Bahnhof Yorckstraße um 1900. Aus: Zeitschrift der Bauverwaltung, 1909. Auf dieser Aufnahme, welche die Zeitschrift der Bauverwaltung hier selbst noch im Jahre 1909 verwendet, gibt es das benachbarte Restaurantgebäude noch nicht. An die den Damm nach rechts abstützende Mauer wurde das Restaurantgebäude später einfach angebaut.
Der Bahnhof Yorckstraße
Der ständig steigende Vorortverkehr der bislang nur zweigleisigen Anhalter Bahn bedingte bald die Anlage separater Vorortgleise mit zusätzlichen Stationen, welche die neu entstandenen Siedlungen und Vororte entlang der Bahnstrecke besser erschließen sollten. Die 9,32 km lange Strecke begann am Potsdamer Bahnhof, der einen ergänzenden Ring- und Vorortbahnsteig erhielt und endete in Lichterfelde Ost.
Eine der neuen Stationen an der Anhalter Vorortbahn war der Bahnhof Yorckstraße, der am 1. Mai 1903 eröffnet wurde und auch den Vorortverkehr der Dresdner Bahn aufnahm.
Auf Grund der engen Platzverhältnisse musste das in der Stilistik der Märkischen Backsteingotik gehaltene Bahnhofsgebäude in den Bahndamm hineingebaut werden, was die Anlage eines Hofes notwendig machte. Denn nur so konnten die im Erdgeschoß liegenden Räumlichkeiten auch seitlich durch zusätzliche Fenster belichtet werden.
Während im Parterre die Schalterräume untergebracht waren, befanden sich in der ersten Etage auch Wohnungen. Diese waren über das auf dem Foto zu sehende Tor und dem Treppenhausturm direkt von der Straße oder über einen separaten Eingang auf der Gebäuderückseite auch von der Höhe des Bahndamms aus zu erreichen.
Das Bahnhofsgebäude blieb bis heute im Kern erhalten, verlor jedoch durch Umbauten oder Kriegseinwirkung (einen genaue Ursache hierfür konnte selbst die Bahn auf Anfrage nicht nennen) sein Dach. Zudem wurde auch die Straßenfront durch eine das Ziegelmauerwerk verdeckende Putzschicht und einen veränderten Eingangsbereich versachlicht.
| Bahnhof Yorckstraße, Blick von der zum Bahnsteig führenden Treppe (links) zur Schalterhalle (im Hintergrund). Der Bahnhof hat in seinem Inneren viel von der ursprünglichen Ausstattung bewahren können. Hierzu gehört die braun-weiße Befliesung mit der typischen Bemusterung sowie die aufwendige Eckgestaltung des unter den Gleisen hindurchführenden Gewölbes. Auch bemerkenswert: die anderen Ortes längst verlorengegangenen Handläufe samt Auflagern an den Treppenwänden.
| Bahnhof Yorckstraße, Blick von der Schalterhalle zur Bahnsteigtreppe. Erhalten blieben hier die Obergadenfenster sowie der Großteil des Bodenbelags. Die Schalterräume wurden indes weitgehend zugemauert. Auch der Eingangsbereich einschließlich der Türen wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt verändert.
Restaurantgebaeude5
5 | Das Restaurantgebäude des Herrn Grandjean
Planung und Genehmigungsprozess
Leider lässt sich aus den zur Verfügung stehenden Akten nicht erschließen, durch welche Umstände es genau zu der Vereinbarung zwischen der Bahn und Louis Grandjean, dem aus Wilmersdorf stammenden Pächter und Bauherren des Gaststättengebäudes, kam. Sämtliche bislang bekannten Dokumente beziehen sich lediglich auf den Planungs- und Bauverlauf.
Die ersten Dokumente finden sich für den Juli 1904. Die erhalten gebliebenen, zur Vorlage bei der genehmigenden Polizeibehörde bestimmten Zeichnungen weisen jedoch gegenüber der späteren Bauausführung einige Abweichungen auf. Der optisch scheinbar leicht zurückgesetzte schmalere Gebäudeteil mit dem kleineren Fenster befindet sich hier noch auf der linken Seite und wird zudem von einem kleinen Dachaufsatz bekrönt. Auch ist in den Zeichnungen noch ein regulärer Treppenaufgang zur internen Erschließung des Gebäudes eingetragen.
Warum es zu einer Änderung der ersten Entwürfe kam, lässt sich aus dem vorhandenen Aktenbestand nicht mehr ablesen. Jedenfalls werden am 7. Februar 1905 von Louis Grandjean neue, durch das "Atelier für Architektur und Bauausführungen, Klitscher & Afdring" angefertigten Zeichnungen und statische Berechnungen zum Bau eines Restaurationsgebäudes dem Königlichen Polizeipräsidium III. zur Prüfung zugesandt. Das Präsidium weist im Zuge der Bearbeitung am 10. Februar das Polizeirevier 71 an, ein "Nachbarschaftsprotokoll" anzufertigen ob Einwände der Nachbarn durch diese geltend gemacht werden.
| Bauakte des Restaurationsgebäudes, 1905. Depesche des Maurermeisters Otto Bars aus Friedenau vom 12. Februar 1905.
| Bauakte des Restaurationsgebäudes, 1905. Abschrift der Depesche von Louis Grandjean vom 3. April 1905. Erläuterung zur korrigierten Zeichnung, Seite 1.
Am 11.2.1905 erfolgt offenbar als Antwort auf jenes Nachbarschaftsprotokolls, dass das "fragliche Gebäude auf Eisenbahnfiskalischem Gelände" errichtet wird und daher die "Königliche Eisenbahn - Betriebsinspektion 8 am Askanischen Platz 5" hierfür zuständig sei. "Dieselbe hat laut Vermerk auf beiliegender Zeichnung gegen das Bauprojekt nichts einzuwenden. Andere Nachbarn kommen nicht in Betracht".
Am 12. Februar 1905 fragt der Maurermeister Otto Bars aus der Prinz-Handjery-Straße 71 per Depesche im "Königlichen Polizei-Revier 73, Wartburgstraße 71", an, ob er am nächsten Tag mit den Ausschachtungsarbeiten für das "Restaurationsgebäude, Yorckstraße, Parzelle 113, dort am Bahnhof Yorckstraße, Eigentümer Louis Grandjean in Wilmersdorf, wohnhaft Berliner Straße 124", beginnen könne. Das Schreiben wurde der 2.Königlichen - Bau - Inspektion übermittelt.
Die Genehmigung für den Bauentwurf, so die Antwort, ist jedoch Grandjean am 15.2.1905 versagt worden. So fehlte etwa ein Lageplan und die Zufuhr von ausreichendem Licht und frischer Luft zum Erdgeschoßabort schien auf Grund des ungewöhnlich tiefen Lichtschachts nicht ausreichend geregelt. Dieser "Lichtschacht" war notwendig, da die Rückseite des Gebäudes, an welcher auch der Abort lag, in den Bahndamm hineingebaut werden musste. Am 17. Februar wurde Grandjean darüber per Einschreiben unterrichtet.
Grandjean hatte keine andere Wahl als die Bauunterlagen entsprechend den Forderungen der Behörden abzuändern. Bereits rund vier Wochen später, am 25.3.1905, ließ er die neuen Unterlagen in dreifacher Ausführung den Genehmigungsbehörden zukommen.
Die Anlage einer vom Keller bis in das oberste Stockwerk durchgehenden Wendeltreppe statt des bisher vorgesehenen konventionellen Treppenaufgangs verteidigt Grandjean mit der "Kleinteiligkeit der Baustelle", also den geringen Grundrissmaßen des Gebäudes und einer hierdurch erzwungenen möglichst rationellen (platzsparenden) Ausführung. Etwaigen Sicherheitsanforderungen entgegnet er mit dem zweiten zusätzlichen Zugang zur Wendeltreppe in Höhe des Bahndamms. Zudem erklärte er, dass nur durch eine Wendeltreppe die notwendige Kopffreiheit gewährt werden kann. Außerdem wird die Treppe nur durch ihm als Pächter und seiner Familie benutzt.
Am 19. April 1905 erhält Grandjean die erhoffte Genehmigung. Auch der Bauschein mit der Nummer 384 wird ausgestellt.
| Bauakte des Restaurationsgebäudes, 1905. Abschrift der Depesche von Louis Grandjean vom 3. April 1905. Erläuterung zur korrigierten Zeichnung, Seite 2.
| Zeichnung zur Einholung der polizeilichen Erlaubnis vom 9. Juli 1904. Offenbar gab es gegenüber der späteren Bauausführung einige Änderungen. So befand sich an der Straßenfassade der optisch scheinbar zurückspringende, schmalere Gebäudeteil noch auf der linken Gebäudeseite, bekrönt zudem von einem kleinen Dachaufsatz. Und auch der seitliche Giebel zur Belichtung des hier noch regulären Treppenhauses gelangte nicht zur Ausführung.
| Zeichnung zur Einholung der polizeilichen Erlaubnis vom 9. Juli 1904. Nicht nur hinsichtlich der Ausführung des Gebäudes kam es zu Änderungen. Offenbar entschied sich Grandjean kurzfristig auch für ein anderes Bauunternehmen, wie der entsprechend durchgestrichene Namenseintrag belegt.
KlitscherUndAfdring6
| Werbeanzeige des Architekturbüros von Klitscher & Afdring, das damals in der Friedenauer Hauffstraße 5-6 ansässig war.
6 | Das Architekturbüro Klitscher & Afdring
Für die Planung des Gebäudes und den damit verbundenen statischen Berechnungen sowie der Anfertigung von Bauzeichnungen für den Genehmigungsprozess war das „Atelier für Architektur und Bauausführungen, Klitscher & Afdring“ beauftragt worden, das zu diesem Zeitpunkt in der Friedenauer Hauffstraße 5-6 ansässig war (1910 zog das Büro dann nach Steglitz in die Schönhauser Straße 26). Die Architektursozietät von Hermann Klitscher und Hermann Afdring, über die trotz ihrer zumindest lokalen Bedeutung wenig bekannt ist, war vor allem in Schöneberg und Steglitz aktiv.
Zum Vergleich seien hier beispielhaft zwei Gebäude kurz vorgestellt:
Das Wohn- und Geschäftshaus an der Ecke Schmiljan- und Schmargendorfer Straße 32 in Friedenau (1903-04, heute genutzt durch die Botschaft von Jamaika) sowie das Wohn- und Gewerbegebäude Handjerystraße 42-43 in Friedenau (1908).
Allen Bauten gemeinsam ist, wie meine Fotos belegen, die gegenüber dem Restaurantgebäude in der Yorckstraße trotz vergleichbarer Entstehungszeit völlig andere Architekturauffassung, die eher dem Jugendstil oder der Reformarchitektur zuzurechnen ist.
Vermutlich erst auf Wunsch der Bahn ist für das geplante Restaurantgebäude durch das Büro eine dem benachbarten Bahnhof Yorckstraße entsprechende Architektur gewählt worden, die auch den bisherigen Bauten entlang der Yorckstraße entsprochen hat.
Heute fehlt dieser Bezug, da der Bahnhof Yorckstraße in seiner Fassade erheblich verändert und der alte, zum Zeitpunkt des Baus des Restaurationsgebäudes bereits geplante Zollpackhof am Kreuzberger "Eingang" zu den Yorckbrücken 2013 für den Wohnungsbau abgerissen worden ist. Auch den alten Bahnhof Großgörschenstraße gibt es leider nicht mehr.
| Kunstvoll vergitterte Eingangstür des Vorderhauses Schmargendorfer Straße 32. Im Ehemaligen Schlossereigebäude der Fa. Klemme befindet sich heute die Botschaft von Jamaika.
| Das Eckgebäude Schmiljanstraße 21 (links) und Handjerystraße 42-43 (rechts), das Klitscher & Afdring 1908 errichteten.
| Fassadenseite an der Handjerystraße. Bereits bei Fertigstellung war im Erdgeschoss ein Lokal eingezogen. Heute nutzt ein Pflegedienst die Räume und auch den ehem. Biergarten.
| 1903 -1904 errichteten Klitscher & Afdring im Hof des Gebäudes Schmargendorfer Straße 32 für den Schlossermeister Heinrich Klemme ein Schlossereigebäude. Heinrich Klemme, gehörte mit seinem Betrieb zur Herstellung von Gittern und Ornamenten zu den größten Unternehmen seines Faches. Am 15. Januar 1909 konnte die Kunst- und Bauschlosserei, die zu diesem Zeitpunkt 20 "Beamte" (leitende Angestellte) und 180 Arbeiter beschäftigte, ihr 25-jähriges Jubiläum feiern. Heute ist in dem Gebäude, das 1988–1990 durch Heinz Ostmann zu einem Bürogebäude mit Garagen umgebaut worden ist, die Botschaft von Jamaika ansässig.
| Man sieht es der kunstvollen Vergitterung des direkt vom Vorderhaus abgehenden Büroanbaues an, was das Metier von Heinrich Klemme gewesen ist. Vor dem Ersten Weltkrieg begann Heinrich Klemme jedoch auch mit dem Bau der damals neu aufkommenden Zentralheizungsanlagen.
Beschreibung7
| Fassadenansicht, Querschnitt und Etagengrundrisse des Restaurationsgebäudes Yorckstraße der Fa. Klitscher & Afdring vom April 1905. Gut zu sehen die gestaffelt hier noch hintereinander angeordneten beiden Stützwände des Bahndamms. Nur durch diese Betonmauern konnten auch auf der Rückseite des Gebäudes Fenster für das Erdgeschoss angeordnet werden. Da sich auf Höhe des Bahndamms der Hof des Gebäudes befand, musste für den Eingang in Höhe des 1. OG eine Brückenkonstruktion über den Lichtschacht errichtet werden. Anders als heute gab es neben dem Eingang zum Restaurant noch einen weiteren kleineren, der in einen durch eine Mauer vom Gastraum abgetrennten Flur führte. So konnte die alle Etagen des Gebäudes verbindende Wendeltreppe ungestört von den Gästen betreten werden.
7 | Beschreibung des Restaurantgebäudes
Die Lage des teils im Bahndamm errichteten Restaurationsgebäudes erforderte, wie auch schon beim Bahnhof Yorckstraße, besondere bauliche Maßnahmen. So wurde eigens eine weitere, gegenüber dem Gebäude leicht nach hinten versetzte Betonmauer errichtet, damit der so gewonnene Raum als Lichtschacht für ein rückwärtiges Fenster zum Erdgeschoss genutzt werden konnte.
In der Höhe der ersten Etage befand man sich auf dem Niveau der Bahnanlagen. Um auch von dort einen Zugang zum Gebäude zu ermöglichen – denn das Restaurantgebäude besaß einen auf dem Bahndamm befindlichen, rund 13 m langen Hof - errichtete man eine Art Brücke, welche den freien Raum zwischen Bahndamm und den Fenstern im Erdgeschoss überspannte. Heute gibt es diese Brückenkonstruktion nicht mehr, der freie Raum zwischen den einstigen Erdgeschossfenstern und der Tür auf Höhe des Bahndammniveaus wurde mit Brettern überdeckt, die einen Belag aus Dachpappe erhielten.
Die Höhenerschließung des Gebäudes erfolgte durch eine im rückwärtigen Teil befindliche, schmiedeeiserne Wendeltreppe, die von den Innenräumen durch eine bogenförmige, dem Verlauf der Treppe angepasste Wand getrennt war. Die Treppe wurde durch an der Gebäuderückseite liegende Fenster belichtet, die heute nur noch im Ansatz zu sehen sind und keine Funktion mehr erfüllen.
Um einen separaten, vom Gastraum unabhängigen Zugang für die Mieter – also im Wesentlichen des Eigentümers Grandjean und seiner Familie - zu ermöglichen, gab es statt des heutigen, rechts von der straßenseitigen Eingangstür befindlichen Fensters eine weitere, schmale Zugangstür, deren Breite optisch die oberhalb der ehemaligen Tür liegenden Fenster der ersten und zweiten Etage aufnehmen. Heute ist diese, längst durch ein Fenster ersetzte Tür ebenso verschwunden, wie die Trennwand, welche den einst hinter der Tür beginnenden kleinen Hausflur vom Gastraum trennte.
Um die Raumverhältnisse innerhalb des winzigen, nur 7 m breiten und 9 m tiefen Gebäudes optimal nutzen zu können, waren die für eine Gaststätte notwendigen Funktionsräume über die Stockwerke verteilt. Während im Keller traditionell das Bier gelagert wurde und sich im Erdgeschoß der Gastraum samt der Herrentoilette befand, musste die Küche und eine kleine Spülküche ins 1. Obergeschoss verlegt werden. Zudem befanden sich hier zwei separate Zimmer und die Damentoilette. Im zweiten Obergeschoss, das bereits in Teilen in den Dachstuhl hineinragte, befand sich die Waschküche und der Trockenboden, eine weitere Toilette und eine Dachstube.
Bis zur Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 1905 wohnte Grandjean, so lässt es sich aus den Adressbüchern herauslesen, in einer Wohnung im benachbarten Bahnhofsgebäude.
| Der durch den vereidigten Landmesser Paul Lorenz 1905 erstellte Flächennachweis. Zwischen dem Bahnhof und dem geplanten Restaurationsgebäude grenzte ein heute noch bestehender Hof, der jedoch nur für den Bahnhof von Bedeutung war. Der zum Restaurationsgebäude zugehörige Hof lag auf der Gebäuderückseite und erstreckte sich bis zum Lagerplatz der Fa. Holzmann & Co. Rechts vom Hof befand sich ein "Contorgebäude", das bis zur Errichtung des Café - und Fitnessgebäudes in Verlängerung der Wohnungsbauten an der Bautzener Straße noch bestand. In dem "Contorgebäude" wohnte bis zum Verkauf des Grundstücks durch die Bahn auch der Generalpächter, Herr Mühlenhaupt.