Das ICC
Ein Monument unter Denkmalschutz
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Bild und Text: Lutz Röhrig
Mit meinen Fotos möchte ich gern im Detail vor Augen führen, warum selbst ein in der öffentlichen Meinung als eher schwierig wahrgenommenes Bauwerk erhaltenswert erscheint. Eine Aufgabe, die insbesondere angesichts der Dimension des Internationalen Congress Centrum (ICC) in Berlin, das, seit mehreren Jahren geschlossen, einem ungewissen Schicksal entgegendämmert, mehr als nur herausfordernd erscheint.
Denn schon allein die Abmessungen des Bauwerks sind gewaltig: 320 m lang, 80 m breit und über 40 m hoch, kann das riesige Bauwerk 20.000 Kongressteilnehmer in mehr als hundert Sälen gleichzeitig in seinen Mauern beherbergen.
Seit Jahren versuche ich, den beeindruckenden, gleichwohl von Anfang an ob seiner ungewöhnlichen Architektur heftig in der Diskussion stehenden Mammutbau vor Abriss oder der Umwandlung zu einem Einkaufszentrum oder einer vorgelagerter Flughafenabfertigung (!) durch das Aufmerksam machen auf den originären Nutzen und der baukünstlerischen Wertigkeit zu bewahren.
| Die riesige Vorfahrtsebene aus dem Blickwinkel der Straß0enzufahrt. Die Lage des ICC direkt über einem Autobahnkreuz ist geradezu ideal. Hinzu kommt die S-Bahn. Wohl kaum mehr ausgeführt wird wohl der geplante U-Bahnhof "Messedamm" in Verlängerung der U3 (vom derzeitigen Endbahnhof Uhlandstraße über Adenauerplatz ausgehend), für den im Bereich der Passerelle bauliche Vorleistungen getroffen worden sind.
Am 3. September 2019 wurde das Berliner Internationale Congress Centrum (ICC) endlich unter Denkmalschutz gestellt. Auch wenn die Architektur der 1970er Jahre nicht immer den Geschmack eines jeden einzelnen entspricht, so ist sie doch künstlerischer Ausdruck jener Zeit.
Mit dem am 2. April 1979 eröffneten ICC verbindet sich eine einmalige architektonische wie ingenieurtechnische Leistung, die alle Punkte von der Rauminnenausgestaltung bis hin zur Fassadengestaltung und der Organisation des Baukörpers betrifft.
Längst ist zudem das ICC zu einem Wahrzeichen unserer Stadt geworden und selbst im Zustand des Stillstandes noch eine Ikone - ob wir dies wahrhaben wollen oder nicht. Und auch International hat das ICC noch immer viele Führsprecher - selbst nach der Stilllegung wurde es als eines der besten Kongresszentren dieser Welt ausgezeichnet.
Gewiss, dass ICC ist in die Jahre gekommen. Vieles würde man heute anders machen, auch ist die Technik renovierungsbedürftig. Eine Sanierung sollte jedoch den zeithistorischen wie architektonischen Wert des riesigen Bauwerks berücksichtigen.
Die Unterschutzstellung durch das Denkmalamt wird hoffentlich verhindern, dass es hier zu rabiaten Änderungen in den Innenräumen oder an der Fassade kommt. Damit erginge es den ICC besser, als etwa dem U – Bahnhof Schloßstraße oder dem Bierpinsel, welche gleichfalls vom Architektenehepaar Ralf Schüler und Ursulina Schüler – Witte errichtet worden sind.
Und Berlin braucht ein Kongresszentrum dieser Größenordnung dringender denn je. Damals wie heute gibt es für Großkongresse keinen besseren Ort, an dem bis zu 20.000 Menschen gleichzeitig (!) geeignete Räume in fast jeder Größenordnung vorfinden können. Auch eine Nutzung als Museums- und Kunstzentrum ist denkbar, wie das Projekt "ICCA" in seiner Studie beweist. Hoffen wir, dass meine Bilder nicht zu eine Art Nachruf werden. Denn Denkmalschutz bewahrt leider nicht immer vor unpassenden Veränderungen oder schlussendlichem Abbruch.
| Zugang zur sog. "Passerelle". Sie entstand zeitgleich mit dem ICC. Die Passerelle gewährleistet nicht nur einen sicheren Zugang zum ICC unter die stark befahrenen mehrspurigen Straßen des Umfelds, sondern auch zu einem geplanten künftigen U-Bahnhof "Messedamm", für den bauliche Vorleistungen getroffen worden sind.
| Brückenbauwerk über dem Messedamm. Rechts die eigens für das Brückenbauwerk in den Messekomplex eingefügte moderne Halle. Die Verbindung eines Kongresszentrums mit einem Messegelände ist auch international eine Besonderheit. Und ebenso eine Besonderheit ist der 1926 aus Anlass der 3. Internationalen Funkausstellung in Betrieb genommene Funkturm. Auch die weltweit erste Fernsehsendung wurde 1932 von hier ausgestrahlt. Schade, das es das früher hier befindliche Rundfunkmuseum nicht mehr gibt.
| Nur aus der Höhe lassen sich die gewaltigen Dimensionen des ICC vollständig zu erfassen. Links auf dem Fahnenmast gesäumten Vorplatz die Lichtschächte zur darunterliegenden Vorfahrtsebene, ganz rechts das Parkhaus. In der Mitte das Brückenbauwerk zum Messegelände. Eigens hierfür musste eine aus den 1930er Jahren stammenden Messehalle abgerissen und in moderner Form neu errichtet werden.
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Wirkt schon das Äußere des ICC wie eine Art Raumschiff, so unterstreicht das für seine Zeit technisch hochmoderne Innendesign den futuristischen Eindruck noch. Doch nichts ist hier dem Zufall oder gar einer Launenhaftigkeit überlassen. Schließlich müssen bei voller Besetzung aller Säle über 20.000 Menschen der Weg zu genau ihrem Platz in einem der 100 Säle gewiesen werden - und im Anschluss wieder zurück zu den Ausgängen und Fahrzeugstellplätzen. Es sind zahlenmäßig die Einwohner einer Kleinstadt, die hier jeweils zu dirigieren sind.
Der Lichtdesigner Frank Oehring entwarf dazu zusammen mit dem Architektenpaar Ralf Schüler und Ursulina Schüler - Witte ein System aus farbigen Leuchtröhren in den Leitfarben rot und blau, welches innerhalb kürzester Zeit jedem Kongressteilnehmer den Weg zum richtigen Saal finden ließ. Hinzu kam eine gute Organisation aller Fahr- und Zugangstreppen im und außerhalb des Gebäudes.
| In der Mitte des Erdgeschosse befand sich der das Gebäude in Längsrichtung teilende Informationsbereich.
| Das zur Orientierung entwickelte System der Farbkennung wurde auch in künstlerischer Hinsicht genutzt. So liefen die blauen und roten Linien in einer kugelförmigen Skulptur zusammen, die bauzeitlich den Namen "das Gehirn" erhalten hatte. An diesem zentralen und angesichts der zusammenlaufenden Linien leicht aufzufindenden Ort Skulptur befand sich der zentrale Meeting Point des Gebäudes.