Conrad Electronic


Hasenheide 14 - 15

Karte Friedrichshain - Kreuzberg

Conrad Electronic

Kreuzberg, Hasenheide 14-15

Inhalt und Kapitelübersicht
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1 | Berlin. Ein besonderer Ort - nicht nur für das Radio

Bild und Text: Lutz Röhrig 

In der Hasenheide Nr. 14-15, gleich neben dem Haus, in dem sich früher die Diskothek „Cheetah“ befand, gab es einen Ort in dem sich all jene Zuhause fühlten, denen der Umgang mit Lötkolben, Widerständen usw. noch vertraut war oder die Kameras, Computer, Fernsteuerungen für Modellfahrzeuge oder sonstiges für Hobby oder Haushalt suchten.


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Es war ein Ort, an dem auch ich so manches an Technik für meine Wohnung oder später auch fürs Haus einkaufte. Doch im November 2022 schloss Conrad seinen letzten Standort in Berlin. Fortan wird sich das in Hirschau (Oberpfalz) ansässige Familienunternehmen auf den Onlinehandel konzentrieren. Lediglich für den Businessbereich werden spezielle Filialen entstehen. Eine angesichts von veränderten Kaufgewohnheiten sicher folgerichtige Entscheidung – die dennoch ein wenig wehmütig stimmt. 

 

Conrad Electronic ist mit der Schließung seiner Berliner Filialen ein weiteres Unternehmen, dass jenen Ort verlässt, an dem es einst seine Wurzeln hatte. Denn es war der Berliner Bezirk Neukölln, wo im Jahr 1923 in der Pflügerstraße Nr. 18 Max Conrad seine Werkzeughandlung in ein Geschäft für Radiozubehörteile umwandelte. Eine Pioniertat, denn erst drei Jahre zuvor war im berühmten Vox-Haus am Potsdamer Platz Deutschlands erste Rundfunksendung ausgestrahlt worden...

Conrad Electronic in der Hasenheide. In dem in den 1980er Jahren entstandenen Neubau der Postmoderne residierte Conrad über viele Jahrzehnte. Rechts daneben jener Altbau, in dem sich einst ein Kino und später die Diskothek "Cheetah" befand.

| Conrad Electronic in der Hasenheide. In dem in den 1980er Jahren entstandenen Neubau der Postmoderne residierte Conrad über viele Jahrzehnte. Rechts daneben jener Altbau, in dem sich einst ein Kino und später die Diskothek "Cheetah" befand.  

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Dachstuhl mit den Studios des Vox-Hauses

Das Dachstudio des Vox-Hauses. Von hier begann das Radio seinen Siegeszug...


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Willy Pragher, Aufnahme vom 26 April 1960. Das berühmte "Vox-Haus"

| Willy Pragher, Aufnahme vom 26 April 1960. Das berühmte "Vox-Haus" (im Hintergrund links) befand sich schräg gegenüber dem heute noch erhaltenem "Weinhaus-Huth" (rechts) in der Potsdamer Straße (heute Alte Potsdamer Straße) kurz vor dem Potsdamer Platz (und damit kurz vor der Berliner Mauer). 1971 wurde das geschichtsträchtige, längst wieder genutzte Gebäude gesprengt. Das Grundstück ist heute Teil des Kollhoff-Towers. Das Gebäude war 1907-08 durch den Architekten Otto Stahn errichtet worden. 1920 erfolgte durch Otto Rudolph Salvisberg ein Umbau für die Vox.

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2 | Aufregend neu - das Radio

In den 1920er Jahren begann das Radio seinen Siegeszug. Und wie schon bei der Entwicklung des Kinofilms so nahm auch beim Radio Berlin eine Sonderstellung ein. Nachdem am 22. Dezember 1920 die erste öffentliche Rundfunkübertragung eines Weihnachtskonzerts durch den südlich von Berlin gelegenen Sender Königs Wusterhausen der Reichspost ausgestrahlt wurde, folgte am 29. Oktober 1923 der nächste, bedeutende Meilenstein auf dem Weg zur Entwicklung des öffentlichen Rundfunks in Deutschland. An diesem Tag wurde aus dem Vox-Haus an der Potsdamer Straße die erste Rundfunksendung Deutschlands durch die „Funk-Stunde AG Berlin“ ausgestrahlt – einer Gesellschaft, an der neben der Reichspost auch die „Vox Schallplatten- und Sprechmaschinen AG“ beteiligt war, die ihren Sitz im "Vox-Haus" hatte. Die Vox hatte 1920 das Haus erworben und ihre Räume im EG und 1.OG sowie im 4. OG (Studio)  durch keinen geringeren als durch den Architekten Otto Rudolf Salvisberg umbauen lassen.

 

Das Interesse der Bevölkerung an dem neuen Medium „Radio“ war groß, doch konnten sich entsprechende Radioempfangsgeräte zunächst nur wenige leisten. Angeboten wurde diese ersten Geräte in Geschäften wie „Musik-Bading“ - ein 1919 begründetes Fachgeschäft in der Neuköllner Bergstraße (heute Karl-Marx-Straße), das neben Radios auch Grammophone und Schallplatten anbot. Für den Großteil der Bevölkerung stellte jedoch der Selbstbau von einfachen Detektorenempfängern den einzig möglichen Zugang zum neuen Medium dar. Die entsprechenden Bauteile hierfür wurden alsbald in darauf spezialisierten Radio-Geschäften angeboten. 


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3 | Die Gründung von "Conrad-Radio"

Als einer der ersten eröffnete noch im Herbst 1923 der Berliner Kaufmann Max Conrad in der Neuköllner Pflügerstraße Nr. 18, ein derartiges Spezialgeschäft. Unter dieser Adresse betrieb der privat in der Berliner Straße 7-8 (heute Karl-Marx-Straße) wohnende Conrad bereits eine Werkzeughandlung.

 

In seinem neuen Geschäftsbetrieb bot Max Conrad nun alle für den Bau eines Radioempfangsgerätes notwendigen Teile wie Spulen, Kondensatoren und Detektoren an. Er selbst bezog diese Bauteile preisgünstig vom Militär, da Deutschland seine Truppen und damit auch das zugehörige Material auf Anordnung der Alliierten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs drastisch reduzieren musste.

 

Das Radio wurde, nicht zuletzt durch den nun zu einem erschwinglichen Preis möglichen Eigenbau, in einem geradezu atemberaubendem Tempo zu einem in allen Kreisen beliebten Medium, dem sich kaum jemand entziehen konnte. Entsprechend expandierte nun auch das Geschäft von „Radio-Conrad“. 1927, bereits zwei Jahre nach der Gründung, übertrug Max Conrad seinem 21-jährigen Sohn Werner den Geschäftsbetrieb. Vielleicht spürte er, dass seine Kraft für die zudem immer größer werdende Firma nicht mehr ausreichen würde. 1929 verstarb Max Conrad.

 "Willkommen Zuhause, Tekkies" - heute nur noch virtuell. Die Kaufgewohnheiten der Kunden haben sich geändert.

| "Willkommen Zuhause, Tekkies" - heute nur noch virtuell. Die Kaufgewohnheiten der Kunden haben sich geändert.

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Berliner Adressbuch von 1923. Unter der Adresse "Pflügerstraße 18" ist M(ax) Conrad als Betreiber einer Werkzeughandlung vermerkt.

| Berliner Adressbuch von 1923. Unter der Adresse "Pflügerstraße 18" ist M(ax) Conrad als Betreiber einer Werkzeughandlung vermerkt. 

Werner Conrad führte den Betrieb seines Vaters ebenso vehement wie geschickt weiter. Ein neu eingeführter Markenname zierte nun die stadtbekannten Lieferwagen von "Radio-Conrad": „Werco“ – WERner COnrad. 1933 wird das expandierende Geschäft in das Haus "Berliner Straße 92" kurz vor der Ecke zur Reuterstraße verlegt. Eine Adresse, unter welcher "Radio-Conrad" bis zur Zerstörung des Gebäudes im Zweiten Weltkrieg verbleiben sollte.

 

Konnte auch "Radio Conrad" in den 1930er Jahren den Geschäftsbetrieb auch stark erweitern, so verlor das Radio selbst allerdings in jener Zeit seine Unschuld. Es wurde von den neuen Machthabern als ein willkommenes Instrument zur politischen Beeinflussung der Bevölkerung wahrgenommen, der Verkauf von Geräten und Zubehör entsprechend staatlich gefördert. 

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4 | Das Fernsehen

Neben dem Radio wurde jedoch noch eine andere Erfindung für politische Zwecke okkupiert, die bereits in der Weimarer Republik ihren Anfang genommen hatte – das Fernsehen. Vor dem Hintergrund der für 1936 geplanten Olympischen Spielen in Berlin sollte das neue Medium für Bild und Ton der Welt als Leistungsbeweis deutscher Technik und Forschung vorgeführt werden.

 

Doch ähnlich wie beim Radio konnten sich die entsprechenden Empfangsgeräte zunächst nur wenige leisten, was die Bedeutung des Fernsehens auf öffentliche Übertragungsräume und einige wenige private Haushalte begrenzte. Trotzdem, die Begeisterung für die neue Technik war groß. Daher beschloss Werner Conrad auch diese technische Entwicklung aufzugreifen. Schon im Herbst 1930 wies Conrad in seinem Katalog auf die Einführung des Fernsehens hin und pries entsprechende Geräte an.

 

Auf der Berliner Funkausstellung 1937 wurde zudem ein Bausatz zur Herstellung von Fernsehempfängern angeboten. Da umfangreiches technisches Wissen über die noch neue Fernsehtechnik nicht bei jedem vorausgesetzt werden konnte, gab Conrad zudem das Buch „Fernsehen von A-Z“ heraus. Der Bausatz wurde ein voller Erfolg. Ein Erfolg allerdings, der bald durch den Krieg ein jähes Ende finden sollte. Die Familie floh nun, um den tagtäglichen Bombenangriffen auf Berlin zu entgehen, nach Hirschau.

Blick in die Filiale Berlin-Hasenheide, 2.OG, Sommer 2022.

| Blick in die Filiale Berlin-Hasenheide, 2.OG, Sommer 2022. 

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"Radio-Conrad" im Berliner Adressbuch von 1930. Hier mit der Adresse "Berliner Straße 8". Die Berliner Straße ist heute der erste Teil (vom Hermannplatz ausgehend) der Neuköllner Karl-Marx-Straße.

| "Radio-Conrad" im Berliner Adressbuch von 1930. Hier mit der Adresse "Berliner Straße 8". Die Berliner Straße ist heute der erste Teil (vom Hermannplatz ausgehend) der Neuköllner Karl-Marx-Straße.

"Radio-Conrad" im Berliner Adressbuch von 1935 mit der letzten Adresse "Berliner Straße 92". Im Krieg wurde das Gebäude zerstört. Heute befindet sich hier ein Neubau.

| "Radio-Conrad" im Berliner Adressbuch von 1935 mit der letzten Adresse "Berliner Straße 92". Im Krieg wurde das Gebäude zerstört. Heute befindet sich hier ein Neubau.

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Das ehem. Wohnhaus "Berliner Straße 7.8", heute Karl-Marx-Straße 12a, beherbergte die Privatwohnung der Familie Conrad (Conrad Electronic).

| Das ehem. Wohnhaus "Berliner Straße 7.8". Der von der "Berliner Häuserverwaltung der Kaffee-Handels-AG" errichtete Block hat zwei Aufgänge, von denen die Nr. 7 direkt an den Friedhof (rechts), die Nr. 8 an den Vorplatz des heutigen Albert-Schweitzer-Gymnasiums" (links) grenzt. Die damalige Nr. 8 (heute Karl-Marx-Straße 12a) beherbergte die Privatwohnung der Familie Conrad.


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Jahrzehntelang "die" Adresse in Berlin, wenn es um  Computerzubehör, Bauteile und vieles mehr aus dem Reich der Elektronik ging.

| Jahrzehntelang "die" Adresse in Berlin, wenn es um  Computerzubehör, Bauteile und vieles mehr aus dem Reich der Elektronik ging. Was viele jedoch nicht mehr wussten: "Conrad-Radio", wie sich das Unternehmen zunächst nannte, wurde 1923 unweit entfernt in der heutigen Karl-Marx-Straße gleich neben den Friedhöfen gegründet. 

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5 | Kriegsende und Nachkriegszeit

Konnte sich die Familie Conrad auch vor den Angriffen in Sicherheit bringen - das Geschäft in der Berliner Straße jedoch wurde durch Bomben zerstört. Lediglich ein Rucksack voller Drehkondensatoren konnten von Werner Conrad gerettet werden, die ihm nach dem Krieg als Startkapital dienen sollten. Und tatsächlich, bald sollte es hierfür einen namhaften Interessenten geben. 

  

Nach dem Ende des Kriegs herrschte ein allgemeiner Mangel an so gut wie allem. Für einen auf Radios spezialisierten Händler waren dies besonders schwere Zeiten, kamen doch zur allgemeinen Knappheit an elektrischen Bauteilen noch ein Verbot der Alliierten hinzu, das die Produktion von fertigen Radiogeräten untersagte. Man hatte nicht vergessen, welch unsäglichen Einfluss die über das Radio verbreitete Propaganda der Nazis gehabt hatte.

 

Eine Misere, die insbesondere den auf die Herstellung von Radiogeräten spezialisierten Fürther Radiohändler Max Grundig hart traf. Was indes nicht verboten war, war der Handel mit Bauteilen. Hieraus entstand Max Grundigs neues Geschäftsmodell – wenn schon die Produktion von Fertigradios nicht möglich war, warum dann nicht einen Bausatz herstellen, der es den Kunden ermöglichte, sich selbst ein Radio zusammenzusetzen? Grundig gelang es auch tatsächlich, viele Bestandteile für seinen legendären Radio-Bausatz „Heinzelmann“ zu organisieren – bis auf die für den Radiobau unbedingt notwendigen Drehkondesatoren des italienischen Herstellers Ducati. Ausgerechnet also jene Bauteile, die Werner Conrad aus Berlin gerettet hatte.


Ab 1946 ging es Dank der Kooperation mit Max Grundig langsam mit der Fa. "Radio-Conrad" wieder bergauf. Ab 1954 erhielt Werner Conrad Unterstützung durch seinen Sohn Klaus. Der längst wieder mögliche Handel mit fertigen Radiogeräten lief gut, man besaß Auslieferungslager in Düsseldorf, Nürnberg, Berchtesgaden – und auch wieder in Berlin. Der Versandhandel hatte sich als eine wertvolle Stütze erwiesen, konnten doch Kunden über eine Bestellung im Conrad-Katalog die in Deutschland bestehende Preisbindung für Radiogeräte unterlaufen. Die schwierige Nachkriegszeit fand damit ihr Ende, der weitere Aufstieg des sich bis heute in der Hand der Familie Conrad befindenden Unternehmens ist bekannt. 

 

Mit der Filiale Hasenheide hingegen schließt die Firma "Conrad Electronic" die letzte Filiale am einstigen Geburtsort des heutigen Großunternehmens in Berlin. Ein Umstand, der vielen Bastlern und Firmenkunden, die über die Jahrzehnte eine feste Bindung zu dem Unternehmen besaßen, sicher nahe geht. Doch die Zeiten ändern sich. Online bleibt das Unternehmen weithin für alle Kunden erreichbar. 

Blick in die Filiale Berlin-Hasenheide, 2.OG, im Sommer des Jahres 2022.

| Blick in die Filiale Berlin-Hasenheide, 2.OG, Sommer 2022.

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