Das Broken English
Körtestraße 10
Topanker
Vorgeschichte1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Wenn ich durch meine alte Heimat Kreuzberg gehe, so wandere ich im Grunde durch eine Fülle von Erinnerungen. Hierzu gehört auch die Körtestraße, die ich einst als Kind mit meiner Mutter des Öfteren aufsuchte, da auf dem Hinterhof des Hauses Körtestraße 10 (siehe meinen Bericht über den Gewerbehof Körtestraße 10 eine Großbäckerei verbilligte Backwaren anbot. Dabei fielen mir vor allem auch die damals schon nicht mehr ganz neuen Autos auf, die auf dem Hof oder vor dem Gebäude standen.
Viele Jahrzehnte später ging ich auf dem Weg zum Planufer, an dem unser Elternhaus lag und in dem nur noch die Mutter wohnte, die Grimmstraße entlang. Ein kleiner, im Tiefgeschoß liegender Laden zog mich an, der sich an Stelle eines ehem. Blumenladens dort eingerichtet hatte. Ein paar nette kleine Geschenke waren angesichts des dortigen englischen Sortiments, das viele nette Kleinigkeiten bot, schnell gefunden.
| Die Front des Gewerbehofes Körtestraße 10 teilen sich eine Eisdiele sowie, rechts des Torweges, das "Broken English".
| Original englische Drogerieartikel: Vor allem Seifen von der Insel.
Ein weiteres Jahrzehnt später führte mich ein nunmehr geplanter Artikel erneut zu jenem Gewerbehof in der Körtestraße, in dem sich einst jene von meiner Mutter so geschätzte Großbäckerei befand. Eine Dame hatte mich angeschrieben, dass sie den Gewerbehof gut kennen würde. Schließlich sei ihr Vater Inhaber der dortigen Autowerkstatt gewesen. Sie könne mir zudem einige alte Fotos zusenden.
Klar, das zu dem nun geplanten Bericht auch aktuelle Aufnahmen des Gebäudes erstellt werden mussten. Ein Besuch in der Körtestraße brachte dann die nächste Überraschung: Mittlerweile war auch jener englische Laden aus der Grimmstraße hierher gezogen. Somit mündeten für mich gleich mehrere Handlungsstränge in den scheinbar so unscheinbaren Kreuzberger Gewerbehof.
| Ein wenig netter Kleinkram darf es natürlich auch sein.
| Wie es sich für einen britischen Laden gehört: die Queen darf nicht fehlen.
Kreuzberg2
Es war im Grunde, bis auf die Örtlichkeit, alles noch so wie damals in der Grimmstraße. Eine Fülle von original englischen Süßwaren, Tees, Geschirr oder liebenswerten Kleinigkeiten, die es so in Berlin kaum mehr woanders gibt. Das alles stimmig präsentiert in englischen Kleinmöbeln vor rauer, unverputzter Mauerwand des alt – ehrwürdigen Gewerbehofs.
Die Auswahl an britischen Lebensmitteln und sonstigen Kleinigkeiten ist riesig: Shortbread, Salt & Vinegar Crisps, Pies & Pasties, Pfefferminz Schokolade – die Liste wäre endlos. Hinzu kommen noch Teetassen mit dem Abbild der Queen, englischen Reitern auf der Fuchsjagd oder komplette Teegedecke. Alles, was das Herz eines echten Briten – und wohl auch das vieler Berliner - begehrt.
| Elizabeth the Second - gern auch auf dem Teller
| Oder wie wäre es mit Meghan und Harry auf der Teedose.
| Englisches Teegeschirr einschließlich Heilige Drei Könige.
Vergangen3
| Die Zeit läuft für das Broken English im Gewerbehof Körtestraße 10 langsam ab.
Doch im Zuge des kommenden Brexit wird es immer schwieriger, englische Produkte kostengünstig in Großbritannien einzukaufen und nach Deutschland exportieren zu lassen. Zölle und der notwendige Papierkram werden die ein- und Ausfuhr britischer Waren erheblich verteuern.
Bereits im Mai des Jahres 2018 wurde daher das Geschäft in der Charlottenburger Leonhardtstraße 23 geschlossen. Längst Geschichte ist zudem der Laden in der Lepsiusstr. 69 in Steglitz. Höchste Zeit also für Franzi und mich, bei der Inhaberin, Frau Dale Carr, in dem noch verbliebenen ehem. Hauptgeschäft in der Körtestraße vorbeizuschauen.
1979 war die aus Sheffield stammende Ladenchefin nach Berlin gekommen und arbeitete hier für die Britische Armee. 1996 eröffnete sie zusammen mit ihrem Ehemann Robin ihr erstes „Broken English“. Eigentlich zunächst nur ein Geschenkeladen, erweiterte sie das Sortiment auf Grund der Nachfrage schnell auch um typisch englische Lebensmittel.
Doch für die rund 14000 britisch stämmigen Bewohner Berlins sowie all den vielen anderen Fans, die den besonderen Charakter britischer Nahrungsmittel und den vielen sehr speziellen Kleinigkeiten von der Insel so sehr mögen, werden nun harte Zeiten anbrechen. Denn im Mai 2019 ist es wohl auch in der Körtestraße soweit. Ein in fast nunmehr dreißig Jahren längst zur Institution gewordenes Geschäft schließt dann für immer seine Türen. Schade.
Nachtrag: Das Geschäft in der Körtestraße ist inzwischen Vergangenheit. Doch das "Broken English" lebt weiter! Frau Antje Blank hat das Konzept von Frau Dale Carr übernommen und ein neues "Broken English" in der Kreuzberger Arndtstraße 29 eröffnet. Ich wünsche Ihr alles Gute und viel Erfolg! Sicher werde ich auch bei Ihr einmal vorbeischauen...
| Kaffeetassen mit Motiven der britischen Fuchsjagd.
| Blick zum Ausgang, Rechts Seifen links Geschenkpapiere, Postkarten und sonstige Schreibwaren.
| Der hintere Ladenteil mit Süßwaren, Tees, Marmeladen und im Nebenraum von gekühlt lagernden Lebensmitteln.
| Besonderes Augenmerk wird im Broken English stets auf die Weihnachtsfenster gelegt. Fenster links der Eingangstür...
| ...und rechts. Es waren die letzten Weihnachtsfenster des Broken English in der Körtestraße.
| Gesamtansicht des Ladens. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung der Ladeninhaberin und der Mitarbeiter.