Bruno Taut Teil 4
Magdeburg
Otto - Richter - Straße
Das Bauhaus wurde 100 - doch das sog. "Neue Bauen" begann in Deutschland erheblich früher. 1911 errichtete Walter Gropius - später Direktor des Bauhauses - bereits das "Fagus" - Werk in Ahlfeld, eines der ersten Werke der sog. Moderne in Deutschland. Zudem wurde das "Neue Bauen" nicht nur von später dem Bauhaus angehörenden Architekten geprägt.
So gehörte Bruno Taut (4. Mai 1880 - 24. Dezember 1938), einer der herausragendsten Vertreter des "Neuen Bauens", nie dem Bauhaus an, beeinflusste dieses aber in Theorie und Praxis nachhaltig. Er errichte bereits ab 1912 in Magdeburg die "Gartenstadt Reform" sowie in Berlin zeitgleich die "Gartenstadt Falkenberg" (Tuschkastensiedlung), bei der er erstmals Farbe als eigenständigen Ausdruck der Architektur begriff und eine Farbkonzeption anwandte, wie sie später auch vom Bauhaus praktiziert wurde...
▮ Bruno Taut - 110 Jahre Neues Bauen
Bruno Taut - Folge 4
Bruno Tau in Magdeburg
Die Otto-Richter-Straße
Topanker
Einleitung1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Magdeburg. Ich gebe zu, das ich diese Stadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten wie dem Dom erst spät kennenlernen sollte. Für Bruno Taut hingegen besaß die Industriestadt an der Elbe eine ebenso große Bedeutung, wie Berlin. Doch wie kam es hierzu?
Der allgemeine Mangel an bezahlbarem Wohnraum und das Elend der Mietskasernen, ausgelöst durch die zunehmende Industrialisierung und dem Bedarf der Betriebe an Arbeitern, war um die Jahrhundertwende beileibe kein spezifisches Berliner Thema. So kam es unter dem Magdeburger Stadtbaurat Otto Peters ab 1893 zur Gründung der ersten Wohnungsbaugenossenschaften, die weit draußen vor der Stadt ünstigen Baugrund erwarben, um ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnraum und preisgünstigem Wohnungsbau bei entsprechend geringen Mieten zu verwirklichen.
1911 begann der Bau der „Gartenstadt Reform“, die, der aus England stammenden „Gartenstadtbewegung“ folgend, viele Gedanken und Ziele des Neuen Bauens umsetzte. Verantwortlich war zunächst der Magdeburger Architekt Glimm, welcher die ersten vier Häuser fertigstellte.
| Die Otto-Richter-Straße liegt inmitten einer Laubenkolonie am westlichen Stadtrand im Magdeburger Stadtteil Sudenburg.
| Am Ende des ersten Abschnitts der von der Braunschweiger Straße (rechts) bis zur Sudenburger Wuhne verlaufenden Otto-Richter-Straße befindet sich dieser markante Eckbau mit seinem Türmchen.
Für die weitere Ausführung der Gartenstadt entschloss sich die Stadtverwaltung, einen Architekturwettbewerb auszuloben, den das bekannte Berliner Architekturbüro Taut & Hoffmann 1912 für sich entscheiden konnte. Damit wurde die temporäre Errichtung eines Planungsbüros in Magdeburg notwendig, da Bruno Taut und Franz Hoffmann zeitgleich mit dem Bau der Gartenstadt Falkenberg („Tuschkastensiedlung“) sowie einigen größeren Wohn- und Geschäftshäusern in Berlin beschäftigt waren. Dabei hatte Taut erhebliche Widerstände in der Magdeburger Stadtverwaltung gegenüber seinen Ideen des sozialen Bauens zu überwinden.
Die Offenheit gegenüber seinen Ideen und Vorschläge verbesserte sich nach dem Ersten Weltkrieg, als bei den ersten freien Wahlen 1919 die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit errangen. Oberbürgermeister wurde Hermann Beims, der 12 Jahre die Magdeburger Politik bestimmte. Zwei Jahre nach der Wahl Beims wurde Bruno Taut zum Baustadtrat Magdeburgs gewählt.
Berufung2
Eine der ersten dringenden Aufgaben sah Taut angesichts des in Magdeburg zu bewältigenden Bauprogramms darin, geeignete, gegenüber seinen sozialen wie architektonischen Ideen offene Mitarbeiter zu finden. Für den von Taut zu entwerfenden Flächennutzungsplan holte er den auf diesem Gebiet erfahrenen Konrad Rühl zu sich. Taut, Rühl und der neue Leiter des Entwurfsbüros im Hochbauamt, Carl Krayl, den Taut ebenfalls zu sich geholt hatte, stellten 1923 dann den Generalsiedlungsplan für Magdeburg fertig.
Typisch für die Bauten Tauts ist die architektonische Gliederung seiner Gebäude mittels Farbe. Dies hatte er bereits in der Gartenstadt Falkenberg in Berlin gezeigt, die deshalb den Spitznamen „Tuschkastensiedlung“ erhielt, und diesen Gedanken hatte er zur gleichen Zeit auch in der „Gartenstadt Reform“ umgesetzt. Bald regte sich hiergegen heftiger Widerstand. Denn nun entstanden seinen Bauten und Siedlungen in Magdeburg in großer Zahl, nahm er über seine Ämter und Mitarbeiter Einfluss auf das Bauen in Magdeburg überhaupt. Zudem ließ er auch über 80 vorhandene Bauten, darunter das Rathaus, im Sinne seiner Architekturauffassung, bei der Farbe ein wichtiges und zudem noch preisgünstiges Gestaltungselement ist, umgestalten. Spottverse, wie Eingangs zitiert, machten bald die Runde.
| Das Haus mit den "Blitzen": Wie alle Fassaden in der Otto-Richter-Straße entstand die Bemalung nach Entwürfen von Carl Krayl.
BunteFassaden3
| Fantasievolle Ornamente und Farben. Die Handschrift Tauts und Carl Krayls.
Besonders exzessiv sind dabei die Fassaden der Gebäude in der Otto-Richter-Straße umgestaltet worden. Die in den Jahren 1904- 1916 erbaute Wohnsiedlung wurde Anfang der 1920er Jahre unter der Leitung von Bruno Taut mit neuen kräftigen Farben und Motiven versehen.
Ausführender war Carl Krayl, von dem auch die Ideen zu den Motiven, wie etwa dem „Blitzhaus“ (Nr. 2) stammen. Bereits 1921-22 zeichnete der von Taut zum Leiter des Entwurfsbüros im Hochbauamt berufene Krayl für die Kampagne eines „Bunten Magdeburgs“ verantwortlich, die den Weg für das Neue Bauen und dessen Farbigkeit ebnen sollte.
Carl Krayl war von Taut als „Maler-Architekt“ ganz bewusst gewählt worden. Beide kannten sich bereits aus Berlin und der Zusammenarbeit im publizistischen Netzwerk „Gläserne Kette“.
1924 gaben sowohl Bruno Taut als auch Carl Krayl ihre Tätigkeit in der Magdeburger Bauverwaltung wieder auf. Sicher dürften zu diesem Entschluss auch die allgemeine Kritik an der Farbigkeit Tautscher Bauten beigetragen haben. Der Gedanke des Neuen Bauens indes hielt sich auch nach dem Weggang Tauts noch lange in der Stadt. Weitere Siedlungen entstanden - und auch spektakuläre Einzelbauten.
Das herausragendste Projekt dieser Art war zweifelsohne der Bau des ersten Hochhauses in Magdeburg, dem 45 m hohen Verlagshaus des Zeitungsverlages Faber des Architekten Paul Schaeffer-Heyrothsberge.
1931 verstarb Hermann Beims. Sein Nachfolger im Amt des Oberbürgermeisters wurde ein junger Sozialdemokrat, welcher seit 1926 in Berlin als Stadtrat für Verkehr erfolgreich tätig gewesen war: Ernst Reuter. Durch die Nazis seines Amtes enthoben und zweimal in ein KZ eingeliefert, emigrierte er 1935 in die Türkei. Hier sollte es auch zum einem Treffen des gleichfalls in die Türkei emigrierten Architekten Bruno Taut kommen, an das sich Reuters Sohn Edzard, obgleich damals noch sehr jung, gut erinnern kann (siehe Folge 5)...
| Je zwei Fensterachsen der insgesamt sechs werden an diesem Gebäude optisch zusammengefasst - nicht wie früher durch Stuckelemente, sondern gemäß den Vorstellungen Bruno Tauts und Carl Krayls durch Farbe. Das dabei durchaus auch plastische Gestaltungselemente Verwendung fanden, zeigt das Nachbarhaus rechts mit seinem gewellten Putzprofil im Erdgeschoss.