Das Berliner Schloss
Berlin bekommt sein altes Herz zurück
Legende1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Sicher wäre die Entscheidung über den Wiederaufbau ganz anders ausgefallen, hätte es Wilhelm von Boddien und den von ihm geleiteten Förderverein Berliner Stadtschloss e. V. nicht gegeben. Zu stark waren die Meinungen auf einem Erhalt des Palastes der Republik bzw. der Schaffung eines völligen Neubaus fixiert, als das man einer Rekonstruktion des alten Stadtschlosses auch nur entfernt in Erwägung gezogen hätte.
Die Wende in der Diskussion brachte die 1993 / 94 auf Betreiben Wilhelm von Boddiens aufgebaute Stadtschlosskulisse, die schlagartig klar werden ließ, was an diesem historischen Ort nun auch nach Meinung vieler Berliner wirklich fehlte. Das Thema "Stadtschloss" war fortan eine ernstzunehmende Alternative zu den bisherigen Ideen. Es sollte allerdings noch etliche Jahre dauern, bis der Traum einer Stadtschlossrekonstruktion vor allem Dank des weiteren Einsatzes Wilhelm von Boddiens, welcher hierin eine Lebensaufgabe sah, Wirklichkeit werden konnte.
Grundsteinlegung2
| Nach dem Abbruch des Palastes der Republik (grau schraffierte Fläche links) wurde eine bodenarchäologische Untersuchung unternommen, welche u. a. auch die noch stehen gebliebenen Kellergeschosse des alten Schlosses zum Ziel hatte.
Die nachfolgenden Bilder zeigen die beginnenden Fundamentierungsarbeiten. Berlin erhält sein städtebauliches Herz zurück.
Das Schloss wird wieder zur Klammer, welche die Straße Unter den Linden ihren Abschluss gibt und zudem Dom und Marstall wieder miteinander verbindet.
| Bodenaushub im April 2013: Blick über das Baufeld zwischen Spree (links), Neuem Marstall (im Hintergrund) und dem ehem. Staatsratsgebäude (rechts im Hintergrund).
| Bodenaushub im April 2013: Letzte Reste der tief im Boden verankerten Stahlkonstruktion des "Palastes der Republik". Im Hintergrund die Friedrichswerdersche Kirche von Schinkel.
| Einer der ausgegrabenen Sockel der schweren Stahlkonstruktion, die seinerzeit den "Palast der Republik" stützte.
| Öffentliche Besichtigung der Baustelle am 16. Juni 2013. Kurz zuvor, am 12. Juni, war die offiziellen Grundsteinlegung. Im Vordergrund die bereits bis hierher reichende Stahlarmierung für die Fundamentplatte.
| Während links die Besucher den mittig aufgestellten Grundstein bewundern, geht der Blick auf die im Hintergrund bereits aufragenden Mauern des Kellergeschosses sowie des rechts über der Sauberkeitsschicht beginnenden Armierungsarbeiten für die Grundplatte.
| Es ist immer beeindruckend zu sehen, nach welch ausgeklügelten Plan auch das Werk der Eisenflechter ablaufen muss. Erst in einer solchen Ansicht wird einem die Stärke der Fundamentplatte bewusst, die nach Auffüllung mit Transportbeton bis etwa zur Höhe der blauen Rohrabdeckung reichen wird...
| Im hinteren, an der Schloßplatzseite liegenden Teil sind zum Zeitpunkt der Grundsteinlegung bereits die Kellerwände errichtet. Die hier zu Tage getretenen Grundmauern werden weiterhin zugänglich bleiben.
Wilhelm3
Am Sonntag, dem 12. Juni 2016, konnte sich anlässlich einer Baustellenbesichtigung jeder Interessierte von der Stein gewordenen Vision Wilhelm von Boddiens überzeugen. Freudig kam er auch während des Rundgangs auf meine charmante Begleiterin und mich zu. Bescheiden antwortete er auf meine Frage, was ihn all die Jahre an dem Projekt des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses festhalten ließ, dass es vor allem die Leidenschaft sei.
Ohne Leidenschaft an der Sache wäre derartiges undenkbar gewesen. Und besonders wichtig waren für ihn in dieser Zeit seine Familie und insbesondere seine Frau, die ihn auch in schwierigen Situationen unterstützte. Das Gespräch vertiefte sich, bald ging es dann auch neben seiner Vision für Berlins Mitte um private Themen wie z. B Kindererziehung. Hier glänzte Wilhelm von Boddien mit seiner reichen Erfahrung - bei mittlerweile 14 Enkelkindern auch kein Wunder...
Doch scheint auch die Rekonstruktion des Berliner Schlosses gelungen so bleibt dennoch viel für Wilhelm von Boddien und seinem "Förderverein Berliner Stadtschloss e. V." zu tun. Aktuell steht die Wiederherstellung der historischen Platzanlagen rund um das Berliner Schloss in der Diskussion (siehe Kapitel V.). Mehr über die weiteren Projekte auf der Seite des Fördervereins Berliner Schloss.
| Wilhelm von Boddien im Gespräch mit mir...
| ...und meiner Begleitung.
Stadtlandschaft4
Eine echte städtebauliche Alternative zum Berliner Schloss im Umfeld zwischen Dom, Bauakademie und Forum Fridericianum bestand im Grunde nie wirklich. Ein hypermoderner Bau an dieser Stelle? Oder der Erhalt des wegen seiner Asbestbelastung abgetragenen "Palastes der Republik"? Ganz unabhängig von den Erinnerungen an all die schönen Stunden, die viele im Palast verbracht haben, architektonisch war er - Hand aufs Herz - nie wirklich zum historischen Umfeld passend.
Die nun fast fertig gestellte Rekonstruktion des Berliner Schlosses führt eindrücklich jedermann vor Augen, wie gut sich der Bau in die tradierte wie auch neu erschaffene Stadtlandschaft einfügt.
| Blick auf Altes Museum und Dom - für viele ein städtebauliches Erwachen.
Humboldt5
| Modell des Ausstellungsraums der aus Dahlem vielen noch bekannten Südsee-Boote im Humboldt-Forum.
Das Humboldt-Forum verschafft den Museen für außereuropäische Kunst endlich die Geltung, die diese international in Fachkreisen viel bewunderte Sammlung verdient. Zuvor im aus touristischer Sicht weitab gelegenen Dahlem untergebracht, können die Sammlungen nun mitten im Herzen Berlins präsentiert werden.
Zusammen mit der benachbarten Museumsinsel wird so einer der größten zusammenhängenden Museumskomplexe Europas entstehen, welcher in seinen Dimensionen und seiner Bedeutung allenfalls mit dem Louvre in Paris oder dem British Museum in London vergleichbar ist.
Umfeld6
Einst war das Berliner Schloss von einer Reihe wohlgestalteter Grünanlagen und Plätze umgeben. Diese waren zugleich auch Aufstellungsort künstlerisch wertvoller Standbilder und sonstige Kunstobjekte. Mit der Sprengung des Stadtschlosses auf Beschluss der DDR-Führung verschwanden diese Anlagen. Die zugehörigen Kunstobjekte, sofern nicht zerstört, erhielten einen anderen Aufstellungsort.
Dies trifft auch auf den ehem. Schlossplatz und den hier bis 1951 befindlichen Schloßbrunnen, der nach der Sprengung des Schlosses den seinen ursprünglichen Standort negierenden Namen "Neptunbrunnen" erhielt, zu.
Die Idee, zwischen Schloss und dem Neuen Marstall einen Monumentalbrunnen zu errichten, geht auf Karl-Friedrich-Schinkel zurück. Ausgeführt wurde diese jedoch erst durch Reinhold Begas, der das Thema einer zentralen Brunnenanlage nach einer Italienreise aufgriff und über mehrere Entwurfsschritte bis 1888 plante. Die ab 1888 bis 1891 schließlich erbaute Brunnenanlage, finanziert durch die Stadt Berlin als Geschenk an Kaiser Wilhelm II., gehört heute zu den bedeutendsten Großplastiken der Welt.
| Postkarte des historischen Schlossplatzes. In der Mitte der Neptunbrunnen an seinem originären Standort.
| Der Neptunbrunnen heute. Eine Versetzung auf den wiedererstandenen Schlossplatz wäre wünschenswert.
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Brunnenanlage unbeschadet, da man diese 1942 mit einer Schutzmauer eingehaust hatte. Erst nach seiner Freilegung 1946 verursachten Buntmetalldiebe größere Schäden. Nach der Sprengung des Schlosses 1951 wurde der Brunnen eingelagert. Seine erneute Wiederaufstellung erfolgte 1969, nun auf dem von jeglicher Bebauung freigeräumten Gelände zwischen dem Roten Rathaus und der Marienkirche.
Eine Umsetzung des Neptunbrunnens zurück an den neu entstandenen Schlossplatz lehnt der Berliner Senat derzeit ab. Geplant ist hier die Aufstellung einer modernen Brunnenanlage. Der Bund hingegen möchte durch die 2015 zugesagten 10 Millionen Euro für eine Umsetzung des Neptunbrunnens hier einen Sinneswandel herbeiführen. Eine zeitgenössische Brunnenanlage würde wohl auch eher zum jetzigen Standort des Neptunbrunnens passen. Wünschenswert wäre zudem die Widerherstellung der einst den Neptunbrunnen flankierenden historischen Schmuckanlagen des Schloßplatzes. Verdient hätte er es...
Oranier7
| Restauriertes Standbild des Moritz von Oranien
Wiedererstehen sollten neben dem Schlossplatz auch die einst gerühmten, unter Friedrich Wilhelm IV. entstandenen Schlossterrassen. Diese waren flankiert von fünf "Oranier - Standbildern" sowie den beiden vor dem Zugang zu Portal IV. angeordneten Figurengruppen der "Rossebändiger".
Von den ursprünglich fünf "Oranier- Standbildern" überlebte lediglich das des Prinzen Moritz von Oranien und Grafen zu Nassaus (Befreier der Niederlande von den Spaniern, links und unten auf dem schwarz-weiß Foto). Es wurde nach der Wiedervereinigung in Berlin Buch aufgefunden und 2016 durch die Preußische Stiftung Schlösser und Gärten restauriert.
In diesem Zustand war es auch vor der Info - Box zur Widerherstellung des Berliner Stadtschlosses zu sehen. Von den übrigen Standbildern existieren drei zeitgenössische Abgüsse. Eine Figur gilt als endgültig verloren. Eine Widerherstellung der Schlossterrassen wäre ebenso wünschenswert, wie die Replizierung der vier zerstörten Standbilder.
| Standbild des Moritz von Oranien und die beiden Rossbändiger am historischen Standort auf den Schlossbalustraden.
Kleistpark8
Die beiden Skulpturengruppen der "Rossebändiger" (auf dem schwarz-weiß Foto oben im Hintergrund) sind ein Geschenk Kaiser Nikolaus I. von Russland an seinen Schwager Friedrich Wilhelm IV.
Sie sind verkleinerte, an ihren Berliner Aufstellungsort angepasste Nachbildungen zweier kolossaler Bronzefiguren der Anitschkoff- Brücke auf dem Newskiprospekt in St. Petersburg. Nach der Sprengung des Stadtschlosses erfolgte 1950 Ihre Versetzung in den Kleistpark an der Potsdamer Straße, dem damaligen Sitz des Alliierten Kontrollrates.
Neben der Widerherstellung der Schlossterrassen sollte auch eine Rücküberführung der beiden bezugslos im Kleistpark stehenden, im Format jedoch perfekt auf den Standort am Portal IV. des Stadtschlosses abgestimmten Figurengruppen vorgenommen werden.
Unterstützung findet der Gedanke einer Rekonstruktion der historischen Platzanalgen beim Initiator des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses, Wilhelm von Boddien, und seinem "Förderverein Berliner Stadtschloss e. V.
Fotos9