Vom Lokal zum Kiezprojekt
Zum Umsteiger Yorckstraße
Geschichte eines Gaststättengebäude
Vorgeschichte1
| Schnitt durch das Restaurantgebäude vom Juni 1905. Während in der oberen Zeichnung vom April noch keine Erschließung des Gebäudes durch Treppen etc. eingezeichnet sind, sieht man hier die sich vom Kellergeschoss bis ins 2. OG erstreckende Wendeltreppe als nunmehr zur Ausführung bestimmten finale Lösung. Offenbar wurde auch die Frage der Stützmauern gegen den Bahndamm nunmehr anders gelöst, um so eine Verlängerung der Wendeltreppe bis in den Keller zu ermöglichen.
8 | Eigentümer- und Besitzverhältnisse
Die Besitzverhältnisse blieben über die Jahrzehnte bemerkenswert konstant, was für ein hinreichendes Einkommen durch den Gastbetrieb spricht.
Grandjean besaß das Gebäude bis zum Beginn der 1920er Jahre. Ihm folgte Hermann Schulz, der, vermutlich auch mit seinem Sohn Gerhard als Nachfolger, die Gastwirtschaft bis gegen Ende der 1960er Jahre betrieb. Von Gerhard Schulz, der auch die „Berliner Fibel“ einem Grundschullesebuch jener Zeit, illustrierte, soll auch das große Wandgemälde, das die Seitenwand im „Umsteiger“ bis zuletzt schmückte, stammen.
Der nächste Pächter in der erstaunlich kurzen Reihe der Gastwirte war Johannes Schaletzki. Für die 1980er Jahre wird eine Frau Ursula Prondzinski genannt, von der wohl Karl- Heinz Mühlenhaupt, von Freunden nur „Kalle“ genannt, das Restaurantgebäude übernahm. Mühlenhaupt, gelernter Dachdeckermeister und Inhaber eines Dachdeckerbetriebs mit 50 Angestellten, der seinerseits das Gaststättengebäude, den daneben liegenden kleinen Laden und das ehem. „Contorgebäude“, in dem er nun wohnte, von der damaligen Reichsbahn der DDR (diese betrieb gemäß alliiertem Abkommen alle ehem. staatlichen Bahnstrecken innerhalb West- Berlins) gepachtet hatte, sollte zum letzten Pächter der Bahn werden.
An Mühlenhaupt hatte auch Herr Sens, letzter Betreiber des Lokals „zum Umsteiger“, seinen Mietsbeitrag zu entrichten. Die Verpachtung der Gebäude durch die Reichsbahn der DDR war eine Besonderheit im damaligen West-Berlin, die nach der Wende und dem Übergang des Bahnbetriebs an die Bundesbahn zum Ende des Gaststättenbetriebs führen sollte. Die Reichsbahn bzw. deren Nachfolger, die Deutsche Bahn AG, verkaufte 2010 die bahneigenen Flächen an der Bautzener Straße, zu denen auch das Gebäude des Umsteigers gehörte. Bis 2017 betrieb noch Herr Sens bis zu seinem Ruhestand den Umsteiger. Die Gaststätte wurde von ihm an zwei Herren verkauft, die den Umsteiger leider nicht mit gleichem Erfolg weiterbetreiben konnten. 2018 schloss der „Umsteiger“ für Immer seine Türen.
Doch damit endet keineswegs die Geschichte des seit 2013 unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes. Es wird weiterhin dem Kiez und seiner Bewohner zur Verfügung stehen, auch wenn sich die Zweckbestimmung ändert. Nach einer denkmalgerechten Instandsetzung der Wendeltreppe und der Beseitigung der Wasserschäden im Kellergeschoß ziehen hier „Die kulturellen Erben“ ein.
Der 2013 gegründete multikulturelle Verein „Die kulturellen Erben“ möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die Authentizität des Kiezes bewahrt wird. Man möchte sagen, dass das sehr gut zum langjährigen „Stadtteilerbe“ passt, das dieses Haus mitbringt. Doch zunächst muss noch mit dem Denkmalschutzamt über die sachgerechte Sanierung der historischen Wendeltreppe im Gebäude gesprochen werden. Wenn dann auch das abgeschlossen ist, kann die Zukunft für den Umsteiger beginnen.
| Während sich auf der linken Seite des Restaurantgebäudes das Bahnhofsgebäude mit seinem Hof anschloss, befand sich rechts lediglich die zum auf der Höhe des Bahndamms liegenden "Contorgebäude" führende Treppe. Neben dieser Treppe wird 1920 eine Verkaufsstube des auch das Contorgebäude nutzenden Fliesenherstellers "Pflüger & Co." errichtet.
| Der Eingang zur ehem. Kultkneipe "Zum Umsteiger" war schon betriebszeitlich mit Graffiti versehen worden. Nur die wilde Plakatierung der Fenster ist eine Erscheinungsform des jahrelangen Leerstandes.
| Außer den Bodenfliesen und der einst die Bar abgrenzenden Steinmauer ist nichts mehr von der Inneneinrichtung der Kultkneipe "Zum Umsteiger" geblieben. Selbst der hölzerne Windfang wurde entfernt, wie noch an den anders gearteten Fliesenmaterial erkennbar.
| Die in der hinteren rechten Ecke des Gebäudes durch alle Etagen verlaufende Wendeltreppe. Heute weitgehend verschlossen sind die ehemals den Treppenaufgang belichtenden Fenster. Hier im Bereich des Erdgeschosses.
| Weitere Fensteröffnung kurz vor der 1. Etage.
| 1. Etage. Blick zu den Fenstern der Yorckstraße.
| 1. Etage. Blick zur vollständig restaurierten Brücke 5 (die ehem. Brücke der Dresdner Bahn ist die älteste im Bereich der Yorckbrücken). Die Brücke ist nun Teil eines übergeordneten Radwegs, welcher über das Dach des Bio- Marktes führt.
| 1. Etage. Blick aus dem Fenster. Links der U - Bahnzugang, rechts das prov. Brückenbauwerk zum S- Bahnsteig.
| 1. Etage. Rückwärtiger Raumbereich. Die rechte Tür führt zur Wendeltreppe und von dort zur ein paar Stufen höher gelegenen Tür in der Rückfront.
| 1. Etage. Tür zum ehemaligen Hof auf der Höhe des Bahndamms. Die Tür war zuletzt fest verschlossen.
| Das Ende der Wendeltreppe ist in Höhe des 2. OG. erreicht. Gut zu erkennen das mit Metallblenden verschlossene Oberlicht, dass einst auch hier zur Belichtung der Wendeltreppe diente. Nur von Außen ist zu erkennen, dass es knapp oberhalb der Tür liegt
| Die Perspektive bringt die Gesamtsituation zwischen der Dachschräge, den Wänden und dem Schluss der Wendeltreppe zur Geltung.
| Langsam kommt die Tür zum 2. OG in Sicht und damit das Ende der Wendeltreppe. Das Podest vor der Tür ist offenbar im Zuge der Renovierungsarbeiten eingekürzt worden, wie auch am Wandabdruck erkennbar ist.
| Langsam kommt die Tür zum 2. OG in Sicht und damit das Ende der Wendeltreppe. Das Podest vor der Tür ist offenbar im Zuge der Renovierungsarbeiten eingekürzt worden, wie auch am Wandabdruck erkennbar ist.
8 | Gebt dem Bahnhof sein Dach zurück
Auf Grund der Zeitereignisse steht das ehem. Restaurationsgebäude scheinbar allein inmitten der derzeit 29 Yorckbrücken. Den stilistische Zusammenhang, den das Haus früher mit dem benachbarten Bahnhofsgebäude besaß, ist heute bestenfalls zu erahnen.
Denn der Bahnhof Yorckstraße hat seine ursprüngliche Fassade weitestgehend verloren. Es fehlen das riesige Dach und der den Eingang bis hinauf in den Dachbereich zierende Giebel. Betritt man jedoch das Bahnhofsgebäude, so fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Erhalten blieben hier die originäre Wandfliesung, die alten Handläufe und große Teile der Bodenfliesen. Die Vorhalle besitzt noch die ehem. Schalterräume und die alten Obergadenfenster, die auf Grund der Dammlage des Bahnhofs notwendig waren.
Schaut man sich hingegen das Bahnhofsgebäude aus Höhe der die Yorckstraße querenden Fußgängerbrücken an, so stellt man fest, dass die seitliche, dem Restaurationsgebäude gegenüberliegende Fassade beinahe vollständig erhalten blieb.
Was läge also näher, als dem Bahnhof Yorckstraße sein altes Aussehen wieder zurückzugeben? Beide Gebäude – Bahnhof und Restaurationsgebäude – stehen unter Denkmalschutz. Und beide Gebäude, so scheint es, brauchen einander und wären jedes für sich als Ausdruck eines längst vergangenen Eisenbahnzeitalters und dem Wunsch der Eisenbahnverwaltung nach einer einheitlichen Stilistik kaum mehr verständlich. Ein widerhergestelltes Bahnhofsgebäude wäre die Klammer, welche dem Restaurationsgebäude den notwendigen architektonischen Rückhalt geben würde. Gebt dem Bahnhof sein Dach zurück – bitte. Es wäre mein Wunsch.
Eine Kurzfassung des Berichtes über die Geschichte des Restaurantgebäudes des "Umsteigers" wurde in der der Septemberausgabe des Magazins "Stadtplan" des Projektentwicklers HamburgTeam veröffentlicht.
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